Hochschulkonferenz: Werden die Chancen gepackt?

Der 26. Februar 2015 war ein wichtiger Tag für die Hochschullandschaft Schweiz. An diesem Tag hat sich die Hochschulkonferenz zum ersten Mal getroffen und sich konstituiert. Die neuen Strukturen bauen auf dem Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz HFKG und der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Kantonen über die Zusammenarbeit im Hochschulbereich ZSAV auf. Die Frage, die sich stellt: Packen die Akteure die Chancen, die mit den neuen Strukturen vorgegeben werden?

Für Travail.Suisse ist klar: Die neuen Strukturen, die durch das HFKG und die ZSAV geschaffen wurden, bieten verschiedene Chancen. Kritiker warnen zwar, dass die Komplexität der Organstrukturen zu hoch sei. Die Chancen auf Verbesserungen gegenüber dem heutigen System seien daher nicht gegeben. Travail.Suisse ist jedoch anderer Meinung. Die neuen Strukturen beinhalten ein klares Verbesserungspotential, das allerdings gepackt werden muss. Auf drei wichtige Chancen sei hier hingewiesen:

1. Die neuen Strukturen ermöglichen eine gesamtheitliche Sicht auf den Hochschulbereich
Bisher war die Hochschullandschaft aufgesplittert in verschiedene Gremien, die sich mit je einem Hochschultyp beschäftigten. Diese Aufsplittung wurde aufgehoben. Hochschulpolitische Diskussionen werden nun in Gremien wie etwa der Hochschul- oder der Rektorenkonferenz geführt, in denen alle Hochschultypen präsent sind. Dies sollte positive Auswirkungen in Bezug auf die Vorbereitung von Entscheidungen wie auch auf die Entscheidungen selber haben.

2. Neu haben alle Kantone Zugang zur Hochschulkonferenz
Von der Hochschulpolitik sind alle Kantone mindestens über die interkantonalen Finanzierungsvereinbarungen betroffen. Bisher war es nicht für alle Kantone möglich, in den entsprechenden Gremien, die sich zum Beispiel mit Fragen der Universitäten oder Fachhochschulen beschäftigten, präsent zu sein. Neu sind alle Kantone mindestens ins Plenum der Hochschulkonferenz integriert und haben dort die Möglichkeit, ihre Anliegen einzubringen. Das ist ein realer Fortschritt gegenüber dem heutigen System.

3. Der Blick auf das gesamte Bildungssystem ist möglich
Die Hochschulen bilden nur einen Teil des Bildungssystems der Schweiz. Aus Sicht von Travail.Suisse ist es wichtig, dass bei hochschulpolitischen Entscheidungen immer auch die Auswirkungen auf die anderen Bildungsbereiche und den Arbeitsmarkt berücksichtigt werden. Dies wird einerseits durch Regierungsrät/innen ermöglicht, die in ihren Kantonen auch für die anderen Bildungsbereiche (z.B. berufliche Grundbildung, Höhere Berufsbildung) verantwortlich sind, andererseits aber auch durch die vier Vertreter/innen der Arbeitswelt.

Travail.Suisse setzt alle Hoffnungen darauf, dass die Hochschulkonferenz wie auch die Rektorenkonferenz diese Chancen packt und zugunsten einer zukunftsfähigen Bildungslandschaft Schweiz nutzt.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse

Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz: Eine neue Ära der Hochschulpolitik beginnt

Auf den 1. Januar 2015 ist das neue Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz HFKG in Kraft getreten. Damit beginnt eine neue Ära der strategischen Steuerung der Hochschulland-schaft Schweiz. Travail.Suisse, der unabhängige Dachverband der Arbeitnehmenden, wird in der Hochschulkonferenz über den vierköpfigen ständigen Ausschuss der Organisationen der Arbeitswelt mit Antragsrecht mitwirken können.

Bisher sind 16 Kantone, davon 8 Universitätskantone, dem Hochschulkonkordat beigetreten. Sechs weitere Kantone werden das in Kürze tun. 14 Kantone, davon 8 Universitätskantone, waren nötig für die Inkraftsetzung des HFKG. Dank diesen Beitritten kann nun eine neue Geschichte der Steuerung der Hochschullandschaft Schweiz beginnen.

Eine neue Form der Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen

Das neue Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz HFKG schafft eine neue Form der Zu-sammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Ein Bundesrat und je ein Vertreter oder eine Vertreterin der Kantone, die dem Hochschulkonkordat beigetreten sind, bilden die Plenumsversammlung der Hochschulkonferenz. Die Leitung der Hochschulkonferenz unterliegt einem Bundesrat. 2015 ist dies Bundesrat Schneider-Ammann. Die Hochschulkonferenz ist dabei im Rahmen ihrer Zuständigkeit gleichzeitig verantwortlich für alle Hochschulbereiche (Universitäten, Fachhochschulen, pädagogi-sche Hochschulen). Auch das ist eine Neuerung.

Zweck der Hochschulkonferenz

Nach dem HFKG Art. 1.1 soll der Bund zusammen mit den Kantonen „für die Koordination, die Qualität und die Wettbewerbsfähigkeit des gesamtschweizerischen Hochschulbereichs“ sorgen. Diese Aufgabe können sie z.B. erfüllen durch die Festlegung von finanziellen Rahmenbedingungen und Referenzkosten, durch die institutionelle Akkreditierung, die Schaffung von gesamtschweizerischen Regelungen beispielweise im Bereich der Weiterbildung, durch die Zugänge und Durchlässigkeiten, durch günstige Rahmenbedingungen für Lehre und Forschung oder durch die Aufgabenteilung in besonders kostenintensiven Bereichen.

Ausschuss der Organisationen der Arbeitswelt

Das HFKG sieht auch einen Ausschuss aus Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitswelt vor, der aus je zwei Vertretungen der Arbeitnehmer- und je zwei der Arbeitgeberorganisationen besteht. Sie sind zu den Sitzungen der Hochschulkonferenz eingeladen und haben das Recht, dort zu den Traktanden Stellung zu nehmen und eigene Anträge einzugeben. Travail.Suisse wird – unter Vorbehalt der Wahl durch die Hochschulkonferenz vom 26. Februar 2015 – einen Sitz auf der Arbeitnehmendenseite innehaben.

Anliegen von Travail.Suisse

Travail.Suisse hat sich 2014 auf diese Aufgabe vorbereitet und ein Info-Mail zum Thema lanciert. In den vier Veröffentlichungen hat Travail.Suisse einerseits wichtigen Akteuren der schweizerischen Hochschullandschaft das Wort gegeben und andererseits die wichtigsen Anliegen ausformuliert.

Dazu gehören insbesondere,
• dass bei den Entscheidungen im Hochschulbereich das gesamte Bildungssystem im Blick bleibt;
• dass die unterschiedliche Profilierung der Hochschultypen nicht verloren geht, sondern durch entsprechende Massnahmen gestärkt wird;
• dass im Hochschulsystem wie auch im Tertiärsystem als Ganzem den Studierenden eine „ehrliche“ Durchlässigkeit garantiert wird, die ihnen einen Spurwechsel ermöglicht, sei dies in Bezug auf den Bachelor, den Master oder den PhD. Talentierte und motivierte Personen sollen nicht am System scheitern;
• dass die Mitwirkungsrechte der Dozierenden vor allem an den Fachhochschulen gestärkt werden. Eine wirkliche Teilhabe an der Gestaltung einer Hochschule beeinflusst die Motivation der Dozierenden nachhaltig und ist daher ein wichtiges Qualitätskriterium.

 Info-Mail neues HFKG
Das neue HFKG ist ein für die Schweizer Bildungslandschaft einzigartiges Projekt: Alle Hochschulen – also Universitäten, ETH, EPFL, Fach- und Pädagogische Hochschulen – werden seit dem 1. Januar zentral gefördert und koordiniert. Diese Umstrukturierung bewegt das Hochschul-Umfeld: Neue Organisationen bilden sich, alte werden sich verändern und die Mitsprache wird stärker gewichtet.
Interessieren Sie sich für das Info-Mail über das neue Gesetz, das regelmässig wichtige Neuerun-gen, Prozesse und Themen zur Sprache bringt? Hier können Sie sich anmelden: www.travailsuisse.ch/themen/bildung/hfkg

Subjektfinanzierung bei den Vorbereitungskursen bringt viele Vorteile

Es ist eine richtige Entscheidung des Bundesrates, die Vorbereitungskurse zu den Berufsprüfungen und Höheren Fachprüfungen über ein subjektorientiertes Modell zu finanzieren. Damit wird in Zukunft die Freizügigkeit der Studierenden in diesem Bereich ermöglicht, ihrer unterschiedlichen Behandlung ein Riegel geschoben und die Unterschiede in Bezug auf die finanzielle Unterstützung zu den Studierenden an Hochschulen werden verkleinert.

Die Höhere Berufsbildung gehört seit dem neuen Berufsbildungsgesetz 2004 zum tertiären Bildungsbereich. Ihre Finanzierung entspricht aber in keiner Weise den Gepflogenheiten dieses Bereichs. Anpassungen, insbesondere was die finanzielle Entlastung der Studierenden entspricht, sind deshalb absolut notwendig.

Travail.Suisse begrüsst daher sehr, dass in Zukunft die Vorbereitungskurse zu den Berufsprüfungen und Höheren Fachprüfungen über ein neues Modell finanziert werden sollen. Dieses Modell zeichnet sich vor allem durch drei Stärken aus:

Erstens ermöglicht es die Freizügigkeit der Studierenden.
Jede Person, die einen Vorbereitungskurs besucht, soll ab 2017 das Recht haben, einen Teil der Kosten für den Vorbereitungskurs gegenüber der öffentlichen Hand geltend zu machen. Damit wird Freizügigkeit für die Studierenden an Vorbereitungskursen geschaffen.

Zweitens verschwindet die Ungleichbehandlung der Studierenden.
Auch heute ist schon Geld im System. Davon können aber nicht alle Studierenden profitieren. Durch die Einführung der Subjektfinanzierung erhalten in Zukunft alle Studierenden eine Unterstützung durch die öffentliche Hand.

Drittens werden die Ausbildungskosten der Studierenden in Vorbereitungskursen in Zukunft abnehmen und sich denjenigen der Studierenden der Hochschulen annähern. Das hängt allerdings stark davon ab, auf welche Zusatzaufwendungen sich das Parlament in der BFI-Botschaft 2017-2020 einigen kann. Man wird also am Ball bleiben müssen, dass das Ziel erreicht wird, dass alle Studierenden des Tertiärbereiches finanziell etwa gleich behandelt werden.

Arbeitsmarktbezug dank den richtigen Dozierenden

Eine der Aufgaben des Hochschulrates wird sein, die verschiedenen Hochschultypen besser zu profilieren (vgl. HFKG Art. 12.3b). Economiesuisse hat diesbezüglich in den „Leitlinien der Wirtschaft“ wenig hilfreiche Vorschläge präsentiert, denn sie verhindern eine stärkere Profilierung und Arbeitsmarktorientierung der Fachhochschulen.

Die Fachhochschulen sind aus der Berufsbildung herausgewachsen. Politik und Wirtschaft erwarten zu Recht, dass sie als Profil die Arbeitsmarktorientierung der Berufsbildung wie auch der Hochschulen hochhalten. Alle in den letzten Jahren bewilligten Bachelor- und Masterstudiengänge mussten daher im Bewilligungsverfahren ihren Bedarf im Arbeitsmarkt ausweisen. Economiesuisse behauptet nun: „Mit der zunehmenden Bedeutung der anwendungsorientierten Forschung, Umsetzung der Bologna-Reform und Einführung der Masterstudiengänge sowie der Aufnahme neuer Bereiche wie Gesundheit, Soziales und Kunst, scheint die Arbeitsmarktorientierung stärker in den Hintergrund getreten zu sein.“ Stimmt diese Aussage?

Die neuen Bereiche sind stark arbeitsmarktorientiert

Im Unterschied zu economiesuisse beurteilt Travail.Suisse gerade die neuen Fachrichtungen als überaus arbeitsmarktorientiert. Diese Ausbildungen orientieren sich an Herausforderungen, die an den Arbeitsplätzen und in den Arbeitskontexten bestehen. Personen mit diesem Hintergrund sind deshalb auf dem Arbeitsmarkt stark gesucht.

Die Zweistufigkeit von Bologna wird in den Fachhochschulen ausgenützt

Bei der Umsetzung der Bologna-Reform in den Fachhochschulen war eines klar: Der Bachelor ist der Normabschluss, nur die besten 20 Prozent haben die Möglichkeit, einen Master anzuschliessen. Die Realität ist, dass weniger als 20 Prozent einen Master absolvieren. Das heisst, der Bachelor hat sich im Arbeitsmarkt voll und ganz bewährt. Eine Einschränkung von Masterstudiengängen drängt sich angesichts dieser Situation nicht auf. Was die Musik als Teil der Kunst betrifft, so sind dort die Zahlen der Masterabschlüsse zwar viel höher. Dies gerade deshalb, weil der Arbeitsmarkt Masterabschlüsse von den Musikern verlangt. Die hohe Masterquote ist gerade in der Musik arbeitsmarktgetrieben.

Die angewandte Forschung als wichtiger Teil der Profilbildung der Fachhochschulen

Die angewandte Forschung gehört zum Leistungsauftrag der Fachhochschulen und wirkt dort profilbildend. Sie hat drei zentrale Funktionen: Sie hat die Aufgabe, (erstens) die praxisorientierte Lehre grundzulegen, (zweitens) Innovationen in der Wirtschaft zu unterstützen, indem sie die Verwertung von Forschungsergebnissen fördert und (drittens) das angewandt-wissenschaftliche Denken vor allem an Masterstudierende weiterzugeben und sie damit nicht nur für bestimmte Tätigkeiten in der Wirtschaft, sondern auch als Nachwuchs für die Lehre und Forschung an den Fachhochschulen vorzubereiten. Hier besteht allerdings für die Fachhochschulen ein Grundproblem, das mit den Vorschlägen von economiesuisse nicht zu lösen ist. Economiesuisse formuliert: „Weiterhin sollen Doktoratsstudium und weiterführende Studien wie ‚Post Doc‘-Studien und Habilitationen den Universitäten und der ETH vorbehalten bleiben.“ Eine solche Aussage ist zwar schnell formuliert, löst aber das Problem der Fachhochschulen nicht. Diese Schulen brauchen Dozierende und Forschende, die sowohl in der Wissenschaft wie in der Praxis verankert sind. Wo sollen solche zu finden sein, wenn den Fachhochschulen (und pädagogischen Hochschulen) nicht wie den Universitäten und ETH‘s erlaubt wird, ihre Nachwuchsförderungsprogramme zu entwickeln? Wer stark profilierte Fachhochschulen wünscht – und das möchte economiesuisse – muss genauer hinschauen und Lösungen vorschlagen, welche die Zukunft ermöglichen und nicht die Vergangenheit zementieren. Denn der Arbeitsmarktbezug der Fachhochschulen geht weder durch die angewandte Forschung noch durch Bologna verloren, sondern durch fehlende, fachhochschulspezifische Nachwuchsförderungsprogramme.

 

Bildungspolitik für ältere Arbeitnehmende

Die Schweiz verfügt über ein effizientes und – aufs Ganze gesehen – über ein gut funktionierendes Bildungssystem. Es steht allerdings vor neuen Herausforderungen. Der Fachkräftemangel verlangt, dass das Potential von inländischen Arbeitskräften besser ausgenutzt wird, auch das der älteren Arbeitnehmenden. Bisher hat diese Zielgruppe in den bildungspolitischen Diskussionen und Projekten keine oder kaum eine Rolle gespielt. Das muss sich ändern. Sollen die älteren Arbeitnehmenden vermehrt und wenn möglich bis zum Pensionierungsalter im Arbeitsmarkt bleiben und eine gewichtigere Rolle spielen, so ist alles zu unternehmen, damit sie ihre Beschäftigungsfähigkeit behalten und ausbauen können. Dies bedingt erstens, dass sie nicht mit zunehmendem Alter aufgrund von Dequalifizierung in berufliche Sackgassen geraten und trotz freien Stellen nicht angestellt werden. Zweitens müs-sen sie sich neue und notwendige Kompetenzen frühzeitig aneignen und sich so als wichtige Leistungsträger ausweisen und bewähren können.

Bildungspolitische Massnahmen zugunsten der älteren Arbeitnehmenden dürfen aber nicht erst bei den 50 oder 55-Jährigen ansetzen. Eine Bildungspolitik zugunsten der älteren Arbeitnehmenden darf nicht nur die Arbeitnehmenden 50+ einschliessen, sondern muss spätestens in der Mitte des Arbeitslebens beginnen, das heisst um das 40. Lebensjahr herum.

Ein wichtiges Element zur Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit der älteren Arbeitnehmenden besteht darin, die Laufbahnberatung für Erwachsene in der Lebensmitte zu intensivieren. Ein solcher Zwischenhalt schafft Überblick über die beruflichen Chancen, Risiken, Lücken und Wünsche und ermöglicht eine Bildungsplanung für die zweite Hälfte des Arbeitslebens zur Stärkung der Beschäftigungsfähigkeit bis zum Pensionierungsalter.

Eine Weiterbildungspolitik für ältere Arbeitnehmende soll dafür besorgt sein, dass die Weiterbildung zielgruppenspezifisch erfolgt, das heisst, die Bedürfnisse und besonderen Anliegen älter werdender Arbeitnehmender müssen ernst genommen werden.

Für älter werdende Personen mit einem Qualifizierungsbedarf (Wiedereinsteiger/innen, erwachsene Berufseinsteiger/innen und Berufswechsler/innen) sind übergeordnete Konzepte zu entwickeln, die Auskunft geben über die Ziele, die umzusetzenden Massnahmen, die Finanzierung, die Organisation, die Verantwortlichkeiten und das Monitoring. Dabei muss klar rüberkommen: Erstens: Auch älter werdende Arbeitnehmende sind nicht zu alt für gezielte Bildungsmassnahmen. Und zweitens: Es lohnt sich für die Personen selber wie auch für die Wirtschaft und Gesellschaft, wenn im vorgerückten Alter noch berufliche Korrekturen vorgenommen werden.

Positionspapier_Ältere Arbeitnehmende

Ältere Arbeitnehmende: Dequalifizierungen vorbeugen

Arbeitnehmende im Alter zwischen 50 und 65 Jahren sind in den Fokus der nationalen Politik gerückt. Einerseits sehen Politikerinnen und Politiker in den älteren Arbeitnehmenden ein grosses Potenzial, das zur Bekämpfung des Fachkräftemangels eingesetzt werden kann. Andererseits ist man aber beunruhigt über die erhöhte Langzeitarbeitslosigkeit der älteren Arbeitnehmenden und fragt sich, wie diese besser wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Lösungen werden insbesondere von der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik erwartet. Aus Sicht von Travail.Suisse, dem unabhängigen Dachverband der Arbeitnehmenden, ist das zu kurzsichtig. Von zunehmender Bedeutung ist vor allem, eine fundierte bildungspolitische Diskussion über die älteren Arbeitnehmenden zu führen.

Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmende, Anreize für Betriebe, ältere Arbeitnehmende länger zu beschäftigen, Diskriminierungsverbot bei Stellenausschreibungen, Einarbeitungszuschüsse für ältere Arbeitnehmende, altersgerechte Arbeitsbedingungen, altersunabhängige Pensionskassenbeiträge: Das alles sind Lösungsvorschläge, welche die Politik bereithält, um die Situation der 50- bis 65-Jährigen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Sie leisten sicherlich einen wichtigen Beitrag, um die Erschwernisse, welchen die älteren Arbeitnehmenden auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, abzubauen. Aber eines darf nicht übersehen werden: Eine Stelle behält oder erhält ein älterer Arbeitnehmender nur, wenn er oder sie über die notwendigen und vom Arbeitsmarkt verlangten Kompetenzen verfügt. Was dies bedeutet, wird in der Politik kaum diskutiert, geschweige denn konkretisiert. Die bildungspolitische Diskussion wird bis heute kaum geführt.

Wenig bildungspolitische Vorstösse – ohne Konsequenzen
Bisher hat sich das Parlament aus bildungspolitischer Sicht nur wenig mit den älteren Arbeitnehmenden auseinandergesetzt. Vorstösse diesbezüglich wurden einerseits von CVP-Nationalrat Martin Candinas (2013) und andererseits von SP-Nationalrätin Bea Heim (2014) eingereicht. Candinas forderte den Bundesrat auf, „(…) zu prüfen, was aus bildungspolitischer Sicht unternommen werden muss, damit das Risiko von Dequalifizierungen von älteren Arbeitnehmenden minimiert wird und Weiterbildungsangebote geschaffen werden, die den Bedürfnissen der älteren Arbeitnehmenden entsprechen“. Der Bundesrat wie auch der Nationalrat haben zwar dieses Postulat angenommen. Passiert ist bisher aber nichts.

Der Blick auf die 40 bis 50-Jährigen
Sollen die älteren Arbeitnehmenden besser im Arbeitsmarkt integriert bleiben und auch angesichts des Fachkräftemangels eine gewichtigere Rolle spielen, so ist alles zu unternehmen, damit sie ihre Beschäftigungsfähigkeit behalten und ausbauen können. Dies bedingt einerseits, dass sie im Alter aufgrund von Dequalifizierungen nicht in berufliche Sackgassen geraten, so dass sie trotz freien Stellen nicht angestellt werden, und andererseits, dass sie sich die neuen, notwendigen Kompetenzen frühzeitig aneignen und sich so als wichtige Leistungsträger ausweisen und bewähren können. Bildungspolitische Massnahmen zugunsten der älteren Arbeitnehmenden können dabei nicht erst bei den 50- oder 55-Jährigen ansetzen. Eine Bildungspolitik zugunsten der älteren Arbeitnehmenden muss spätestens in der Mitte des Arbeitslebens beginnen, das heisst kurz nach dem 40. Lebensjahr.

Beispiel 1:
Horizontale Karrieren, die von Personen mit körperlich anspruchsvollen Berufen ins Auge gefasst werden müssen, damit sie trotz körperlichen Gebrechen im Arbeitsmarkt bleiben können, dürfen nicht erst nach 50 angepackt werden. Solche Wechsel müssen frühzeitig und längerfristig geplant werden, damit sie gelingen.

Beispiel 2:
Ebenso müssen Personen, die im Verlaufe ihres Berufslebens das Berufsfeld geändert haben, frühzeitig damit beginnen, ihre neuerworbenen Kompetenzen zu dokumentieren, Fehlendes zu ergänzen und auf einen neuerlichen Berufsabschluss hinzuarbeiten. Erfahrungen in einem Beruf genügen bei einem Stellenwechsel oft nicht. In diesem Fall ist es häufig notwendig und hilfreich, wenn man nicht nur auf die lange Berufserfahrung, sondern auch auf einen erreichten Berufsabschluss hinweisen kann.

Beide Beispiele zeigen, dass gerade bei der Auseinandersetzung mit den älteren Arbeitnehmenden der Blick schon auf die 40- bis 50-Jährigen gerichtet werden muss, um der potenziellen Dequalifizierung von älteren Arbeitnehmenden frühzeitig vorzubeugen. Und sie zeigen, dass die Bildungspolitik heute über keine Massnahmen verfügt, welche die 40- bis 50-Jährigen motiviert, in diese Qualifizierungsprozesse einzusteigen. Da ist die Bildungspolitik heute und in Zukunft gefordert.

Erfolgreiches Theaterprojekt für die Berufsfachschulen abgeschlossen

In der Berufsbildung treffen Jugendliche mit unterschiedlichsten kulturellen Hintergründen aufeinander. Das 2006 von Travail.Suisse lancierte Projekt „Rookie – verschiedene Nationalitäten im Lehrlingsalltag“ nahm diese Situation ernst und bot Berufsfachschulen ein Forumtheater an, das kulturell bedingte Konfliktsituationen ins Rampenlicht rückte. Im Sommer 2014 hat dieses überaus erfolgreiche Projekt nun seinen Abschluss gefunden.

Die Berufsbildung ist multikulturell. „In 50% aller bei uns vertretenen Berufsausbildungen bilden die Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine Mehrheit“, beschreibt zum Beispiel Heinz Flück, Leiter für Förderpädagogik, die Situation am Berufsbildungszentrum Olten. Diese Situation beinhaltet Chancen, aber auch Konfliktpotential. Sie ist deshalb an den Schulen bewusst anzusprechen.  Travail.Suisse hat aus diesem Grund 2006 das Forumtheater Rookie entwickelt.

Das Forumtheater: Eine spielerische Art der Konfliktlösung
Das Forumtheater ist eine interaktive Theaterform. Konfliktgeladene Theaterszenen führen die Zuschauer in verschiedene, ihnen bekannte Konfliktsituationen hinein. Es bleibt aber nicht bei den Konfliktsituationen und nicht beim Zuschauen. Die Zuschauer werden zu Teilnehmenden. Das Forumtheater erlaubt ihnen, mitten in den Konflikten nach Alternativen Kopie_von_Rookie_2_Schule2zu suchen. Unter der Leitung eines geschickt agierenden Moderators werden Ideen gesammelt, durchgespielt, verworfen und weiterentwickelt. So entstehen unter Mitwirkung der Teilnehmenden neue Szenen, in denen Lösungen sichtbar werden.

Rookie – ein Forumtheater für die Berufsfachschulen
„Rookie“ bot in den letzten acht Jahren den Berufsfachschulen die Möglichkeit an, mit Hilfe der Methode des Forumtheaters die heutige multikulturelle Welt mit ihren Chancen und Spannungen – von Anziehung und Zusammenarbeit bis Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus – auf eine praktische, spannende und packende Art in der Schule zum Thema zu machen. Entwickelt und gespielt wurden die Szenen von der Theatergruppe Maralam.
Die Berufsfachschulen machten regen Gebrauch von diesem Angebot. Insgesamt konnten 150 Vorstellungen mit insgesamt 19‘300 Teilnehmenden durchgeführt werden. In einer Vor- und Nachbereitung wurden die angesprochenen Themen aufgearbeitet. Dazu wurden vom Projekt didaktisch und methodisch aufbereitete Unterrichtsmaterialien für den allgemeinbildenden Unterricht zur Verfügung gestellt.

Breite Unterstützung des Projektes
Das Projekt fand eine breite Unterstützung. Der Dachverband der Berufsfachlehrer/innen BCH unterstütze Travail.Suisse in der Anfangsphase in der Projektleitung. Das ehemalige Bundesamt für Berufsbildung und Technologie BBT (heute: SBFI) half mit, die Produktion zu finanzieren, und die Stiftung Bildung und Entwicklung (heute: Education 21) unterstützte die Schulen finanziell bei der Durchführung.

Ausgewertet und eine neue Produktion geplant
Dieses einmalige Projekt wurde im letzten Jahr ausgewertet. Vor allem die offene Form des Forumtheaters stiess bei Lernenden und Lehrenden auf überaus positive Kritik. Die Szenen schaffen emotionale Betroffenheit. Und statt nur in der Rolle des Zuschauers zu verbleiben, ermöglicht das Forumtheater den Lernenden ein Mitwirken. Lösungen können ausprobiert und die soziale Kompetenz erweitert werden. Travail.Suisse ist deshalb daran, ein Nachfolgeprojekt zu planen, welches die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre aufnimmt und verarbeitet.

Bruno Weber-Gobet, Projektleiter Forumtheater Rookie

Selbstbewusstes Auftreten der Berufsbildung

Am 17.-21. September 2014 finden die ersten schweizerischen Berufsmeisterschaften SwissSkills 2014 statt. Gegen 1000 junge Berufsleute aus den verschiedensten Berufen werden um den Schweizermeistertitel in ihrem Beruf kämpfen. Diese Veranstaltung gibt die Möglichkeit, einen interessanten Einblick in die Vielfalt der schweizerischen Berufsbildungslandschaft zu erhalten. Das ist natürlich vor allem für Jugendliche in der Berufswahlphase eine besondere Gelegenheit. Ich hoffe, dass viele Schulklassen und auch Familien diese Chance packen werden.

„Was soll ich werden?“ Über 60% der Jugendlichen in der Schweiz beantworten diese Frage, in dem sie sich für eine Berufslehre entscheiden. Mit dem heutigen Bildungssystem treffen sie eine gute Wahl. Denn das durchlässige Bildungssystem ermöglicht, dass sich mit jeder Lehre die unterschiedlichsten Karrierewege öffnen. Wichtig ist allerdings, dass man nach der Lehre nicht zu lange wartet, in das lebenslange Lernen einzusteigen. Dafür stehen einem Angebote der Weiterbildung, der Höheren Berufsbildung SSB14_Logo_Website_DE-5ae525f69e8b3fdb96d93faa854d165boder – mit einer Berufsmaturität – auch Angebote der Hochschulen zur Verfügung.

Besuch nicht verpassen
Mit den ersten schweizerischen Berufsmeisterschaften in Bern ist es möglich, bei einem Besuch einen spannenden Einblick in die schweizerische Berufsbildungslandschaft zu erhalten. Für vier Tage werden in Bern insgesamt 1000 Arbeitsplätze für die verschiedensten Berufe von den Branchenverbänden aufgebaut. Die Besucher und Besucherinnen können den Teilnehmenden über die Schultern schauen und beobachten, wie sie schwierige Aufgaben ihres Berufes konzentriert und kompetent lösen. Parallel kann man sich an Ständen über die Berufe informieren. Vor allem Jugendliche in der Berufswahlphase sollten dieses Event nicht verpassen.

Selbstbewusste Berufsbildung
Die Berufsbildung weiss um ihren Wert für den Wirtschaftsstandort Schweiz. Die Berufsmeisterschaften sind ein Ausdruck dieses Selbstbewusstseins. Die Berufsbildung muss sich nicht verstecken, sondern sie darf stolz ihre Bildungsleistung zeigen. Durch die vielfältigen Reformen – ausgelöst durch das neue Berufsbildungsgesetz – sind die heutigen Ausbildungen up to date. Und sie werden up to date bleiben, weil das Berufsbildungssystem einerseits durch ihren engen Arbeitsmarktbezug und andererseits durch die heutige Gesetzgebung innovationsfähig ist und bleibt. Den zukünftigen Herausforderungen darf die Berufsbildung daher mit der Überzeugung begegnen, dass sie sie bewältigen wird.

Präsenz von Travail.Suisse an den Berufsmeisterschaften
Die wichtigsten Akteure an den SwissSkills sind sicherlich die Wettbewerbsteilnehmenden, dann aber auch ihre Begleiter, die Juroren und all die Vertreter der Branchenverbände. Ihre Leistung kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Travail.Suisse ist an den SwissSkills mit einem Stand der Jugendkommission Jeunesse.Suisse vertreten. Die Jugendlichen aus den verschiedenen Verbänden von Travail.Suisse werden das Gespräch mit anderen Jugendlichen zum Thema „Die Lehre meistern“ suchen. Zudem hat Travail.Suisse als einziger Arbeitnehmerdachverband im Organisationskomitee mitgearbeitet.

 

Die Hochschulweiterbildung steht in der Pflicht

Eine Aufgabe der Hochschulen ist es, Weiterbildungen anzubieten. Ich bin überzeugt, dass die Weiterbildung mit dem „Lebenslangen Lernen“ zusätzlich an Bedeutung gewinnen wird. Doch die Hochschulweiterbildung muss sich bewegen: Sowohl das neue Weiterbildungsgesetz (WeBiG) wie auch das Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetz (HFKG) nehmen sie in die Pflicht.

Der Hochschulrat als Teil der Schweizerischen Hochschulkonferenz hat die Aufgabe, „Weiterbildung in Form von einheitlichen Rahmenvorschriften“ zu regeln (HFKG Art. 12) und die Grundsätze des Weiterbildungsgesetzes (WeBiG Art. 5-9) umzusetzen (vgl. WeBiG Art. 2.2).

Diese ‚einheitlichen Rahmenvorschriften‘ werden über folgende Punkte Auskunft geben müssen:
• über die Weiterbildungsformate (MAS, CAS, DAS etc.),
• über die Zulassung zur Hochschulweiterbildung,
• über die Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung,
• über die Anrechenbarkeit von Bildungsleistungen
• darüber, wie Wettbewerbsverzerrungen in der Weiterbildung vermieden werden können.

Während einige Rahmenvorschriften einfacher umzusetzen sind, sind andere Punkte regelrechte Knacknüsse: Die Zulassungsbedingungen beispielsweise werden eine erste Knacknuss bilden, denn die heutigen Regelungen der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten CRUS sind noch zu unscharf, um wirklich als Kriterien dienen zu können. Konkreter sind die Empfehlungen der Konferenz der Fachhochschulen KFH. Ihnen fehlen  allerdings Überlegungen zur Zulassung von Personen aus der Höheren Berufsbildung (Tertiär-B-Bereich). Eine zweite Knacknuss bildet die vorgesehene Aufnahme der Hochschulweiterbildung in die Akkreditierungsrichtlinien. Damit wäre zwar ein wichtiger Schritt für Qualitätssicherung und -entwicklung getan, doch jede Hochschule wird dann die geplanten Rahmenvorschriften in ihre Qualitätssicherungsstrategie bzgl. Weiterbildungsbereich implementieren müssen.

Viel zu reden geben werden auch die Regelungen zum Verbot von Wettbewerbsverzerrungen. Dabei geht es bei diesem Thema nicht nur um Wettbewerbsverzerrungen zwischen Weiterbildungen der öffentlichen Hochschulen und Weiterbildungen der privaten Anbieter, sondern auch um Wettbewerbsverzerrungen gegenüber Anbietern der Höheren Berufsbildung. Im Artikel 3i HFKG heisst es:
„Der Bund verfolgt im Rahmen der Zusammenarbeit im Hochschulbereich insbesondere die folgen-den Ziele: (…) i. Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen bei Dienstleistungen und Angeboten im Weiterbildungsbereich von Institutionen des Hochschulbereichs gegenüber Anbietern der höhe-ren Berufsbildung.“
Die Botschaft zum HFKG weist dabei in diesem Zusammenhang auf das „Verbot der Subventionierung der Weiterbildungen im Hochschulbereich oder das Verbot, ähnlich lautende Titel oder Angebotsbezeichnungen wie in der höheren Berufsbildung anzubieten“, hin. Aus meiner Sicht  ist es sinnvoll, dass die Weiterbildungsverantwortlichen der Hochschulen bezüglich Artikel 3i HFKG das Gespräch mit den Vertretungen der Höheren Berufsbildung suchen. Solche Gespräche sind hilfreich für eine bessere Problemerfassung wie auch für eine konstruktive Problemlösung.