Internationale Positionierung vorwärtstreiben

Die allgemeinbildenden und die berufsbezogenen Bildungswege sollen in der Schweiz über eine gleichwertige gesellschaftliche Anerkennung verfügen. Dies hält die Bundesverfassung in Artikel 61.a, Abs. 3 unmissverständlich fest. Diese Bestimmung bringt zum Ausdruck: Es gibt keinen besseren oder schlechteren Bildungsweg. Auf schweizerischer Ebene ist dieses Denken weit verbreitet, wenn auch noch nicht Allgemeingut. Auf internationaler Ebene leidet hingegen der Berufsbildungsweg immer noch unter mangelnder Anerkennung. Aus Sicht von Travail.Suisse sind daher die Bestrebungen, die Berufsbildung international besser zu positionieren, noch intensiver vorwärtszutreiben.

Die Schweiz gehört durch die Personenfreizügigkeit zum europäischen Arbeitsmarkt. Das heisst, die Schweiz bildet heute ihre jungen Menschen für den europäischen Arbeitsmarkt aus. Wenn diese ausgebildeten Personen sich für eine Stelle in der Schweiz oder der EU bewerben, so stehen sie aufgrund der Personenfreizügigkeit auch in Konkurrenz zu Personen, die in anderen Ländern ausgebildet wurden. Um in dieser Konkurrenzsituation bei einer Bewerbung erfolgreich zu sein, muss die Ausbildung vom Arbeitgeber als „wertvoll“ erkannt und anerkannt werden.

Berufsbildung: Niedere Ausbildung?

Wenn die Schweiz möchte, dass die berufsbezogenen Bildungswege auch auf europäischer Ebene eine gleichwertige gesellschaftliche Anerkennung wie die allgemeinbildenden (akademischen) Wege erhalten, so muss sie sich auf dem internationalen Parkett dafür einsetzen. Das ist nicht einfach, aber nötig. Ansonsten wird es passieren, dass die Berufsbildung nach und nach ihren Wert verliert, weil sie als „niedere Ausbildung“ angeschaut wird[1].

Grundlage Qualität

Will die Schweiz für die Berufsbildung auf internationaler Ebene eine gleichwertige gesellschaftliche Anerkennung erhalten, so muss sie im Minimum drei Punkte beachten. Erstens muss die Qualität der Berufsbildung stimmen. Eine hohe Qualität ist übrigens das erste Ziel des Bildungsraumes Schweiz[2], zu dem auch die Berufsbildung gehört. Ohne oder mit mangelnder Qualität können wir die Berufsbildung international nicht besser positionieren. In allen Tätigkeiten der Berufsbildung muss daher das Bewusstsein für Qualität vorhanden sein, wie das die Charta „Qualitätsentwicklung Berufsbildung Schweiz“ festhält[3].

Verständlichkeit

Die Berufsbildung der Schweiz muss zweitens verständlich sein. Es muss klar werden, dass ein wichtiger Grund für den wirtschaftlichen Erfolg  der Schweiz darin liegt, dass wir auf beide Bildungswege setzen und ihre Komplementarität zu Innovationen und hoher Produktivität führt. Zudem ist auch Klarheit über das Niveau unserer beruflichen Abschlüsse zu schaffen. Der nationale Qualifikationsrahmen ermöglicht über den europäischen Qualifikationsrahmen die notwendige Vergleichbarkeit der Abschlüsse in Europa. Die Chance, die der Qualifikationsrahmen ermöglicht, muss optimal und mutig ausgenutzt werden.

Verkauf

Die Berufsbildung muss drittens bewusst verkauft werden, insbesondere auch die höhere Berufsbildung. Das neue Staatsekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) hat hier eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Travail.Suisse wird die Arbeit des Staatssekretariates auch daran messen, ob es ihm gelingt, die Berufsbildung im europäischen und internationalen Kontext besser zu „verkaufen“,  das heisst besser zu positionieren und so Schritt für Schritt eine gleichwertige Anerkennung der berufsbezogenen mit den allgemeinbildenden Bildungswegen auch auf diesen Ebenen zu erreichen. Übrigens ist der Film des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie über die höhere Berufsbildung ein vortreffliches Hilfsmittel diesbezüglich[4], das jetzt voll eingesetzt werden müsste. Aus Sicht von Travail.Suisse wäre es klug, wenn das zukünftige Staatssekretariat die Verbundpartner in den Verkauf der Berufsbildung vermehrt einbeziehen würde. Eine Möglichkeit wäre, den Artikel 55.3 des Berufsbildungsgesetzes dafür einzusetzen[5] und vom Bundesrat zu erlangen, dass spezifische und innovative Projekte der Verbundpartner zum „Verkauf“ der Berufsbildung auf internationaler Bühne in Zukunft über den Artikel 54 finanziert werden können. Gegenwärtig fehlt ja dem Berufsbildungsgesetz die Dimension einer Verantwortung der Verbundpartner für die internationale Positionierung der Berufsbildung. Allenfalls müsste dieses Anliegen auf eine geschickte Art in eine Revision des Berufsbildungsgesetzes eingebracht werden.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse (05.11.12)


[1] Tagesanzeiger, Freitag, 5. Oktober 2012, S.13: „Nach Süddeutschland ins Gymi: Die Angst vor der Berufslehre…..Häufigster Grund für die Schulwahl jenseits der Grenze ist das Unbehagen der Deutschen gegenüber dem Schweizerischen Bildungssystem. Eine Berufslehre gilt in Deutschland als niedere Ausbildung mit schlechteren Verdienstaussichten. Ausserdem braucht es für die höheren Berufslehren ein Abitur. Viele Pendler glauben, dass ihre Kinder mit einem Schweizer Lehrabschluss schlechtere Berufsaussichten hätten als mit dem Abitur. Dabei ist in der Schweiz manchmal sogar das Gegenteil der Fall.“

[2] BV Art. 61.a1: Bund und Kantone sorgen gemeinsam im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz.“

[5] BBG Art. 55.3:  Der Bundesrat kann weitere Leistungen im öffentlichen Interesse festlegen, für die Beiträge gewährt werden können.