Schlagwort-Archive: Höhere Fachschulen

Vorentwurf zum Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe: Vernehmlassung

Gerne nehmen wir Stellung zum Vorentwurf zum Bundesgesetz über die Gesundheitsberufe. Als positiv in diesem Entwurf nehmen wir insbesondere folgende Punkte wahr:

  • Die Absolventinnen und Absolventen der Höheren Fachschule Pflege werden in Bezug auf die selbständige Berufsausübung gleich behandelt wie die AbsolventInnen und Absolventen einer Fachhochschule. Diese Regelung ist sowohl sachgerecht wie auch notwendig und sinnvoll.
  • Mit dem Gesundheitsberufegesetz erhalten die Bachelorstudiengänge der vom Gesetz definierten Gesundheitsberufe an Fachhochschulen ein klares Profil. Dies ermöglicht einen schon lange notwendigen Fortschritt in Bezug auf diese Bildungsstufe.
  • Das Gesundheitsberufegesetz schliesst die Lücke, welche durch das Wegfallen des Fachhochschulgesetzes entsteht und ergänzt durch die Programmakkreditierung das Hochschulförderungs- und –koordinationsgesetz HFKG, das primär eine Systemakkreditierung vorsieht.

Wir möchten allerdings auch auf ein Problem hinweisen, welches wir mit dem Gesetz haben:
Der Titel des Gesetzes bringt Verwirrung. Das haben wir in verschiedenen Gesprächen mit Personen aus dem Gesundheitswesen gespürt. Der Titel verspricht mehr als er hält. Das Gesetz regelt nicht alle Gesundheitsberufe und nicht alle Stufen. Es ist daher allenfalls ein Bundesgesetz über einen Teil der Gesundheitsberufe. Für diesen Teil ist das Gesetz in Ordnung und ein Fortschritt. Nach unserer Meinung braucht das Gesetz aber folgende Ergänzungen:

  • Im Artikel 2 braucht es einen Zusatz, der folgenden Wortlaut haben kann: „Der Bundesrat kann weitere Berufe im Bereich des Gesundheitswesens, deren Ausbildung auf Tertiärstufe stattfindet, als Gesundheitsberufe nach diesem Gesetz bezeichnen und diesem Gesetz unterstellen.“ Mit einem solchen Zusatz macht das Gesetz deutlich, dass es sich bei den im Artikel 2 erwähnten Berufen nicht um eine abschliessende Liste von tertiären Gesundheitsberufen handelt und dass zur Sicherung der Gesundheitsversorgung und deren Qualität weitere Gesundheitsberufe dem Gesetz unterstellt werden können und müssen.
  • In ähnlichem Sinn ist es auch nötig, dass nicht nur die Bachelorstufe, sondern auch die Masterstufe ins Gesetz aufgenommen wird. Dies schafft eine bessere Transparenz in Bezug auf die Kompetenzen der verschiedenen Stufen. Dies ist gerade im Hinblick auf eine gut funktionierende Zusammenarbeit im Gesundheitswesen wichtig. Zudem kann durch die Programmakkreditierung, die auch für die Masterstudiengänge vorzusehen ist, die Qualitätssicherung verbessert werden.
  • Ein besonderes Anliegen haben wir in Bezug auf die Logopädie. Die Logopädinnen und Logopäden werden auf dem Tertiärniveau ausgebildet und sind mit denen im GesBG aufgeführten Berufe vergleichbar. Die Situation der Logopädie ist aber oft unklar, was die Ausbildung und die Berufsausübung betrifft. Eine Einbindung in das GesBG könnte zu einer Vereinheitlichung der Ausbildung und der Berufsausübung sowie zur Verbesserung der Qualität führen. Wir beantragen daher eine Aufnahme der Logopädie in das GesBG.
  • Was die Frage nach einem Schweiz weiten Register für die vom Gesetz geregelten Gesundheitsberufe angeht, so unterstütz Travail.Suisse ein Register, das ausschliesslich auf Stufe Bund geführt wird. Eine solche Regelung nimmt die Mobilität der Mitarbeitenden im Gesundheitswesen ernst. Die Regelung soll insbesondere auch eine angemessene Weiterbildungspflicht vorsehen, die garan-tiert, dass einmal erworbene Kompetenzen laufend aktualisiert werden, gemäss den fachlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen.

Bruno Weber-Gobet, 11.04.14

HFSV: 2014 werden folgenschwere Finanzentscheidungen getroffen

Am 1. Januar 2014 tritt die „Interkantonale Vereinbarung über Beiträge an die Bildungsgänge der Höheren Fachschulen“ (HFSV) in Kraft. Die Vereinbarungskantone werden auf der Grundlage der HFSV wichtige Finanzentscheidungen zu treffen haben. Für Travail.Suisse ist klar: Wenn die Kantone nur aufs Sparen fokussieren, so werden sie einen wichtigen tertiären Bildungsbereich schwächen.

12 Kantone sowie das Fürstentum Liechtenstein haben bisher die „Interkantonale Vereinbarung über Beiträge an die Bildungsgänge der Höheren Fachschulen“ (HFSV) unterzeichnet[i]. Damit sind die Voraussetzungen geschaffen, dass die HFSV aufs neue Jahr in Kraft treten kann. Die Regeln der interkantonalen Finanzierung der Studiengänge der Höheren Fachschulen sind über die HFSV klar und deutlich definiert. Die Höhe der Beiträge ist hingegen noch nicht bis ins letzte Detail geregelt. Die Vereinbarungskantone werden die entsprechenden Entscheidungen in den nächsten Monaten zu treffen haben. Das wird eine schwierige Aufgabe sein, weil verschiedene Interessen in ein komplexes Gleichgewicht gebracht werden müssen.

Die Sicht der Höheren Fachschulen

Das erste Interesse der Höheren Fachschulen (HF) ist es, dass die Beiträge an die HF-Bildungsgänge auf realistischen Annahmen basieren. Gemäss HFSV[ii] sollen die interkantonalen Beiträge 50% der ermittelten durchschnittlichen Kosten betragen. Dazu braucht es ein Kostenerhebungsmodell, das die Realität optimal abbildet. Ist das Kostenerhebungsmodell fehlerhaft, so entsprechen auch die Beiträge nicht dem im Gesetz definierten Ziel. Den Schulen fehlen dann die ihnen in der HFSV zugesicherten Beiträge. Dies kann – wie noch auszuführen ist – zu problematischen Folgen führen. Zu fehlerhaften Beiträgen kann es kommen, wenn das Kostenerhebungsmodell nicht auf Vollkosten basiert, es die didaktisch-methodischen Eigenheiten eines Studiengangs wie zum Beispiel die Arbeit in Labors und in Kleingruppen nicht erfasst, oder es die Kosten für die Entwicklung eines Studiengangs nicht oder nur ungenügend berücksichtigt.

Die Sicht der Wohnsitzkantone der Studierenden

Die HFSV definiert, wie viel die Wohnsitzkantone der Studierenden den Trägerschaften der Bildungsgänge der Höheren Fachschulen zu bezahlen haben. Angesichts der schwierigen Finanzsituation der Kantone ist es nachvollziehbar, wenn sie auf tiefe interkantonale Beiträge schielen. Die Finanz- und Erziehungsdirektoren der Kantone müssen ja nicht nur die Beiträge an die HFSV vor dem Parlament vertreten, sondern auch für gewichtige Anliegen aus anderen Bereichen einstehen. Ihnen kommt es entgegen, wenn die Kosten der HFSV tief gehalten werden können. Allerdings müssen sie sich fragen, ob sich der kurzfristige Gewinn auch längerfristig auszahlt. Denn das System der Höheren Fachschulen ist im Vergleich zu den Fachhochschulen ein günstiges System. Die Kantone müssen daher darauf achten, dass die HF für die Studierenden attraktiv bleibt. Dazu gehören auch bezahlbare Studiengebühren.

Die Sicht der Standortkantone der Höheren Fachschulen

Unter dem Regime der neuen HFSV wird es in allen Standortkantonen zu Verhandlungen zwischen ihnen und den im Kanton ansässigen Schulen kommen. In diesen Verhandlungen werden die Vergütungen des Standortkantons gegenüber den einzelnen Schulen festgelegt. Bei diesen Verhandlungen können zwar die interkantonalen Beiträge der HFSV eine gewisse Rolle spielen. Aber letztlich muss jeder Standortkanton mit den mandatierten Höheren Fachschulen aushandeln, wie hoch der Beitrag des Standortkantons an die Schulen sein soll. Grundsätzlich sollten diese Beiträge pro Studentin/pro Student um einiges höher sein als die interkantonalen Beiträge. Denn ein Standortkanton kann von der Schule auf seinem Kantonsgebiet profitieren. Sie bringt ihm einen Standortvorteil[iii]. Sie schafft im Standortkanton z.B. Arbeitsplätze, tritt als Einkäuferin auf, zahlt Steuern, erhöht die Standortattraktivität und trägt Knowhow in eine Region. Man darf daher von den Standortkantonen ohne weiteres erwarten, dass ihre Beiträge an die Schulen höher sind als die interkantonalen Beiträge nach HFSV.

Die Sicht der Studierenden

Studierende haben ein Interesse an tiefen Studiengebühren. An Hochschulen betragen die Schulkosten bis zum Bachelorabschluss zwischen 4‘500 bis 5‘000 CHF. An Höheren Fachschulen sind sie etwa 3 bis 4x höher. Je höher die Studiengebühren ausfallen, umso weniger ist die Höhere Fachschule konkurrenzfähig zu den Hochschulen. Es braucht deshalb eine Politik der Studiengebühren im Zusammenhang mit den Höheren Fachschulen. Sie muss erreichen, dass die Höheren Fachschulen ihre Konkurrenzfähigkeit zu den Hochschulen behalten oder gar verbessern und dass keine interessierten und fähigen Personen aufgrund der Kosten auf eine Ausbildung verzichten müssen. Grundsätzlich geht es aus Sicht der Studierenden darum, dass einerseits die Studiengebühren durch die jungen Berufsleute ohne grösseren Probleme gestemmt werden können und andererseits die Bildungsrendite der Höheren Fachschulen grösser ist als diejenige der Hochschulen. Dann sind die Höheren Fachschulen attraktiv. Für die Wohnort- und Standortkantone heisst es, dass Sparen noch keine Politik definiert. Und für die Wirtschaft und die Betriebe bedeutet es, dass ihre Unterstützung der Studierenden mithilft, die Attraktivität der Höheren Fachschulen zu verbessern.

Die Sicht des Arbeitsmarktes

Damit die höheren Fachschulen eine Zukunft haben, müssen sie sich inhaltlich und qualitativ entwickeln. Nur dann behalten diese Ausbildungen und Abschlüsse auf dem Arbeitsmarkt ihren Wert. Im Kontext der Qualität und der Entwicklung spielen sicherlich die Dozierendenbildung und -weiterbildung, die Anerkennungsverfahren, aber auch die Berufsfelddidaktik eine wichtige Rolle. All das kostet Geld. Es sind Bereiche, bei denen unter Druck gespart wird, wie zum Beispiel: Es werden mehr Dozierende mit kleinen Pensen angestellt; die Berufsfelddidaktik wird zugunsten von günstigeren Lehr- und Lernformen ausgehebelt; die Dozierendenbildung und –weiterbildung wird nach unten gefahren. Wenn die Kosten hingegen den Studierenden übertragen werden, so erhöhen sich die Studiengebühren. Auch diesbezüglich zeigt sich, dass die Kantone mit ihren Finanzentscheidungen im Rahmen der HFSV wichtige Weichen für die Attraktivität und die Qualität der Bildungsgänge der Höheren Fachschulen stellen müssen.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik, Travail.Suisse, 25.11.13

______________________________

[ii] Art. 6 Höhe der Beiträge.
1 Die Beiträge werden je Bildungsgang differenziert nach Vollzeit- und Teilzeitausbildung in Form von Semesterpauschalen pro Studierende beziehungsweise Studierenden festgelegt.
2 Für die Festlegung der Höhe der Pauschalbeiträge gemäss Absatz 1 gelten folgende Grundsätze:
a. Ermittlung der durchschnittlichen gewichteten Ausbildungskosten (Bruttobildungskosten) pro Bildungsgang und Studierende beziehungsweise Studierenden nach Massgabe der Ausbildungsdauer (Anzahl Semester), der Anzahl anrechenbarer Lektionen und der durchschnittlichen Klassengrösse, wobei die Konferenz der Vereinbarungskantone die maximale Anzahl anrechenbarer Lektionen und die minimale Referenzklassengrösse festlegt;
b. die Beiträge decken 50 Prozent der gemäss litera a ermittelten durchschnittlichen Kosten.

[iii] Zentralschweizer Regierungskonferenz, Grundlagenpapier über die Abgeltung von Standortvorteilen; zuhanden der Kantonsregierungen verabschiedet durch die ZFDK, Solothurn, 13. Mai 2005; https://www.zrk.ch/dms/dokument/dokument_datei_id_307_rnd6822.pdf

 

Besoins de l’économie et état des lieux de la politique suisse

Vortrag gehalten am 15.11.2012 an der Tagung „Européanisation de la formation professionnelle“ von EHB und SGAB in Morges.

Sehr geehrte Damen und Herren

Zuerst möchte ich mich für die Einladung zu Ihrem interessanten und wichtigen Anlass ganz herzlichen bedanken.

Als ich an meinem Referat zu schreiben begann, habe ich mich allerdings gefragt:
Was kann ich zu Ihrem Anlass schon beitragen?
Ich bin kein Spezialist in den heute besprochenen Fragen.
Zudem muss ich Ihnen mein Französisch zumuten.
Ich hoffe, es gibt nicht zu viele Missverständnisse, weil ich die Worte falsch betone oder ausspreche.

Das Thema meines Vortrages lautet:
Besoins de l’économie et état des lieux de la politique suisse.

Der Titel nimmt Bezug auf die zwei Kontexte, in denen ich mich beruflich bewege.

Einerseits die Politik.
Seit rund 16 Jahren habe ich die Möglichkeit, bei politischen Fragen im Bereich der Berufsbildung in einem inneren Kern mitzudiskutieren.
So bin ich Mitglied der Eidgenössischen Berufsbildungskommission und war auch in der Expertenkommission für die Entwicklung des neuen Berufsbildungsgesetzes tätig.

Andererseits die Wirtschaft.
Als Geschäftsleitungsmitglied von Travail.Suisse interessieren mich Bildungs- und Arbeitsmarktfragen, und zwar aus der Sicht der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Aus beiden Perspektiven versuche ich nun dem Thema Ihrer Tagung „Européanisation de la Formation professionnelle“ näherzukommen und meine Erfahrungen und Vorstellungen einzubringen.

Dazu werde ich zuerst fünf Thesen ausformulieren und dann drei Folgerungen daraus ziehen.
Die einzelnen Thesen und Folgerungen finden Sie jeweils auf der Powerpointpräsentation.

These 1:
Interne Probleme der Berufsbildung Schweiz haben in den letzten Jahren die Sicht auf Europa verstellt.

In den letzten 16 Jahren hat sich die Berufsbildungspolitik vor allem mit einem Thema auseinandergesetzt: der Lehrstellenkrise.
Viele Aktivitäten auf Bundes- wie auch auf kantonaler Ebene galten dem einen Ziel, nämlich mehr Lehrstellen zu schaffen und den Jugendlichen mit Problemen auf dem Lehrstellenmarkt den Zugang zu einer Lehrstelle zu ermöglichen.

Diese Blickrichtung prägt auch das neue Berufsbildungsgesetz, das 2004 in Kraft getreten ist.
So wird etwa in Artikel 13 des Berufsbildungsgesetzes dem „Ungleichgewicht auf dem Markt der beruflichen Grundbildung“ (=Lehrstellenkrise) der Kampf angesagt.
Oder in Artikel 12 des Berufsbildungsgesetzes die Kantone verpflichtet, „Personen mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit auf die berufliche Grundbildung“ vorzubereiten.
Auch die Projektgelder nach Artikel 54 und 55 des Berufsbildungsgesetzes sind zu einem recht grossen Teil zur Bekämpfung der Lehrstellenkrise eingesetzt worden.

Das Thema „Europa“ kommt hingegen im Berufsbildungsgesetz nur indirekt vor, weit hinten im Artikel 68.
Dort geht es einerseits um die Anerkennung ausländischer Diplome und Ausweise in der Schweiz. Also nicht um die Anerkennung schweizerischer Diplome im Ausland, was uns heute sehr beschäftigt.
Andererseits geht es um den Bundesrat.
Ihm wird im Artikel 68 das Recht zugesprochen, „zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit und Mobilität in eigener Zuständigkeit internationale Vereinbarungen“ abzuschliessen.
Dies ist eine wichtige Bestimmung, gerade auch im Zusammenhang mit dem Thema „Anerkennung der schweizerischen Diplome im Ausland“.
Allerdings, indem der Bundesrat mit dieser Aufgabe betraut wird, sind die anderen Partner der Berufsbildung von diesem Thema wie befreit.

Das entspricht ganz der Stimmung bei der Ausarbeitung des neuen Berufsbildungsgesetzes.

Soviel ich mich erinnern kann, hat keiner der Experten das Thema „Europäisierung der Berufsbildung“ aufgeworfen, und diesbezüglich einen Diskussionsbedarf angemeldet.
Auch ich nicht.
Mir war das Thema damals absolut fremd.

So wurde das Hauptthema des Berufsbildungsgesetzes durch eine schweizerische Innensicht bestimmt.
Und dieses Thema hiess damals Lehrstellenkrise.
 
These 2:
Durch die Einführung der Personenfreizügigkeit bildet die Schweiz Personen für den europäischen Arbeitsmarkt aus. Der europäische Arbeitsmarkt findet auch in der Schweiz statt.

Im Jahre 2000 hat das schweizerische Stimmvolk die Personenfreizügigkeit mit der europäischen Union angenommen.
Und im gleichen Jahr wurde sie auch eingeführt.
Zwar war die Personenfreizügigkeit am Anfang noch mit bestimmten Einschränkungen versehen, wie zum Beispiel „Kontingente“.
Aber seit 2005 sind auch diese Einschränkungen nicht mehr in Kraft.
Das heisst, wenn die Schweiz heute junge Menschen ausbildet, so bildet sie diese Personen für den europäischen Arbeitsmarkt aus.
Zum europäischen Arbeitsmarkt gehört dabei auch die Schweiz.
Wenn Arbeitnehmende, die in der Schweiz ausgebildet wurden, sich für eine Stelle in der Schweiz oder der EU bewerben, so stehen sie aufgrund der Personenfreizügigkeit auch in Konkurrenz zu Personen, die in anderen Ländern ausgebildet wurden.
Um in dieser Konkurrenzsituation bei einer Bewerbung erfolgreich zu sein, muss die Ausbildung vom Arbeitgeber als „wertvoll“ erkannt und anerkannt werden.

These 3:
Eine Ausbildung wird vom Arbeitgeber als „wertvoll“ erkannt und anerkannt, wenn
•          die Qualität der Ausbildung stimmt
•          der Titel verständlich ist
•          das Ansehen hoch ist.

Bei einer Bewerbung wird einerseits eine Person bewertet, andererseits ihre Ausbildung.
Beide Faktoren zusammen machen den Erfolg bei einer Bewerbung aus.
Was ist nun, wenn ich mich zum Beispiel mit einem Diplom einer höheren Fachschule im europäischen Arbeitsmarkt bewerbe?
Wie stehen meine Chancen bei der Bewerbung?
Gemäss der These 3 habe ich nur dann eine Chance, wenn die Ausbildung vom Arbeitgeber als „wertvoll“ erkannt und anerkannt wird.
Dazu gehören eine gute Qualität, ein verständlicher Titel und ein hohes Ansehen.

Erstes Stichwort „Qualität“
„Qualität“ gehört zu den Lieblingsworten der Bildungsgesetzgebung.
Schon in die Bundesverfassung ist es das erste Wort mit Gewicht, das im Abschnitt „Bildungsraum Schweiz“ erwähnt wird.

Im Artikel 61a heisst es:
Bund und Kantone sorgen gemeinsam im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz.
 
Das erste Ziel ist also Qualität.
Das gilt natürlich auch für die höheren Fachschulen.

  • Sie müssen eine Akkreditierung durchlaufen
  • Sie müssen ihre Lehrkräfte auf einem hohen Niveau fachlich, methodisch und didaktisch ausbilden.
  • Und sie müssen ihren Lehrplan mit der Wirtschaft, den Organisationen der Arbeitswelt absprechen.

Wer das Diplom einer höheren Fachschule vorweisen kann, muss sich daher – was die Qualität und auch die Aktualität seiner Ausbildung betrifft – bei einer Bewerbung überhaupt nicht verstecken.

Aber genügt die Qualität und Aktualität?

Zweites Stichwort „Titel“
Es gibt Arbeitgeber, die den Titel „Diplom HF“ ohne weiteres verstehen.
Sie wissen, was sich dahinter verbirgt:

  • HF-Abgänger haben Führungskompetenzen,
  • haben eine hohe Fachkompetenz,
  • sind Experten der Umsetzung,
  • bringen viel praktische Erfahrung mit und
  • verfügen über eine Ausbildung im Tertiärbereich.

Wer das nicht weiss, kann das aber aus dem Titel „Diplom HF“ nicht ohne weiteres herauslesen.
Der Titel ist diesbezüglich nicht sehr aussagekräftig.
Es ist daher verständlich, dass es Kreise gibt, die einen aussagekräftigeren Titel fordern.

Drittes Stichwort „Ansehen“
Eine Ausbildung ist auch mit einem Image verbunden.
Damit kommen wir zu einem Kernpunkt der Thematik.
Wir wissen, dass der akademische Weg über ein höheres Image als der Weg der Berufsbildung verfügt.
Sogar in der Schweiz ist es so, also in einem Land, in dem die Berufsbildung ansonsten einen hohen Stellenwert hat.
Wie ist das dann erst in Ländern, in denen die Berufsbildung weniger Bedeutung hat als in der Schweiz?
Auch dort haben Titel der Berufsbildung eine geringere Leuchtkraft als akademische Titel.

Die Diskussion um den NQR und um das diploma supplement haben hier ihren Ansatzpunkt:
Insbesondere Abschlüsse der höheren Berufsbildung sollen mit Hilfe von NQR und diploma supplement mit akademischen Abschlüssen vergleichbar und verstehbar werden.

Das ist wichtig. Genügt aber nicht.

Denn die Berufsbildung leidet mindestens an drei Problemen, die ihr einen schweren Stand im internationalen Kontext verschaffen.

These 4:
Die Berufsbildung leidet darunter, dass sie
•          nicht (von allen) verstanden wird,
•          nicht an der Macht ist und
•          falsch eingeschätzt und unklug vermarktet wird.

Die Berufsbildung wird nicht (von allen) verstanden:
Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass die Berufsbildung im Allgemeinen und die Berufsbildung Schweiz im Besonderen nicht verstanden wird.
Ich verstehe das nicht als Vorwurf,
sondern als Sachverhalt, den man nicht aus dem Auge verlieren darf.

Warum wird die Berufsbildung nicht (von allen) verstanden?

  1. Weil die Berufsbildung komplex ist. Es gibt verschiedenste Ausbildungen und verschiedenste Niveaus.
  2. Weil Personen, die auf dem akademischen Weg ihre Bildung erhalten haben, zu wenig Erfahrung mit Berufsbildung haben. Für sie ist die Berufsbildungswelt zum Teil wirklich fremd.
  3. Weil die Berufsbildung in den europäischen Ländern sich zum Teil stark voneinander unterscheidet und nicht einfach vergleichbar ist. Darum versucht die EU auch über das EQF eine Vergleichbarkeit herzustellen.
  4. Weil die Berufsbildung sich in Veränderungsprozessen befindet und die eigenen früheren Erfahrungen so nicht mehr stimmen. Die Eltern sind daher oft schlechte Berater in Sachen Berufsbildung, weil sie noch in ihren alten Vorstellungen über die Berufsbildung leben.

Wenn also jemand sich mit einem Berufsbildungsabschluss wie dem Diplom HF auf den europäischen Arbeitsmarkt bewirbt, so hat er damit zu kämpfen, dass nicht alle die Berufsbildung verstehen und ihren Wert einschätzen können.

Das schlimmste, was mir diesbezüglich passiert ist, ereignete sich mit einem Experten der OECD, der die höhere Berufsbildung in der Schweiz untersuchte.
Nach zwei Stunden Auskunft über die höhere Berufsbildung kam er zu folgendem Schluss:
In der höheren Berufsbildung können Erwachsene, welche noch über keine Ausbildung verfügen, ihre Berufsausbildung nachholen.

Kein Vorwurf an diesen Experten!
Er hat nur versucht, unsere Informationen über die höhere Berufsbildung in seinen Erfahrungshorizont einzubauen und ist dabei gescheitert.
Zum Glück blieb er noch eine Woche in der Schweiz und konnte sein Bild korrigieren.

Aber nicht alle haben oder nehmen sich so viel Zeit, um ihre Meinungen zu korrigieren.
Sie bleiben daher oft in ihren rudimentären und falschern Bildern über die Berufsbildung gefangen.

Die Berufsbildung ist nicht an der Macht:
An vielen Orten (Politik, Wirtschaft), wo über die „Berufsbildung“ entscheiden wird, kann man nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass auch Experten der Berufsbildung mit am Tisch sitzen.
Es ist eher so, dass Personen mit universitären Abschlüssen dort das Sagen haben.
Das ist natürlich ein Nachteil.

Dieser kann erstens nur ausgeglichen werden, wenn die Entscheidungsgremien in Politik und Wirtschaft in Sachen Berufsbildung bereit sind dazuzulernen.
Und zweitens: wenn die Berufsbildung sich in Politik und Wirtschaft für ihre Anliegen wehrt,
beispielweise in der Schweiz.

Gegenwärtig wird das neue Staatssekretariat für Bildung. Forschung und Innovation aufgebaut.
Die Berufsbildung muss sich wehren, damit die Berufsbildung ihrem Wert entsprechend behandelt wird.
Nächsten Mittwoch sind die Spitzenverbände der Berufsbildung bei Bundesrat Schneider-Ammann eingeladen, um eine bessere Positionierung der Berufsbildung im neuen Staatssekretariat durchzusetzen.

Aber auch auf europäischer Ebene ist zu intervenieren. Auf europäischer Ebene wird die Berufsbildung meiner Meinung nach in ein falsches Fahrwasser geleitet.

Damit kommen wir zum dritten Punkt der vierten These:
Die Berufsbildung wird falsch eingeschätzt und unklug vermarktet:

Seit knapp einem Jahr bin ich Mitglied des „Advisory committee on vocational training“, eine Art Berufsbildungskommission der EU.
Ich bin erst daran, mich in diesem Gremium zurechtzufinden.
Trotzdem ist mir schon etwas aufgefallen.
In den Reden und Interventionen dort wird der Einsatz für die Berufsbildung vor allem damit begründet, dass sie hilft, die Jugenderwerbslosigkeit zu bekämpfen.
Das ist ein wichtiges Anliegen und angesichts der Grösse des Problems auch verständlich.
Ohne Zweifel.

Eine solche Argumentation macht aber die Berufsbildung zu einem primär sozialpolitischen Mittel.
Es hilft, Personen von der Strasse wegzuholen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Finanzierung der Berufsbildung ist damit sozialpolitisch begründet.

Genügt das aber?
Wird damit der Kern der Berufsbildung getroffen?

Ich denke: Nein!
Die Berufsbildung ist zuerst und vor allem ein wichtiger Teil der Wirtschaftspolitik.
Dank einer starken Berufsbildung steigen die Qualität und die Innovationskraft einer Volkswirtschaft. Produktivität
In sie zu investieren, ist eine wirtschaftpolitische Notwendigkeit.
Leute der Berufsbildung sind nicht Sozialfälle.
Im Gegenteil: Sie sind wichtige Träger einer gesunden Volkswirtschaft.
Wo sie fehlen, leidet die Volkswirtschaft.

Weil in Europa die „Berufsbildung“ oft in sozialen Kategorien gedacht wird,
wird sie insgeheim abgewertet und falsch eingeschätzt.
Auf diesem Hintergrund ist es verständlich, dass junge Leute, wenn immer möglich, nicht den Berufsbildungsweg, sondern den akademischen Weg wählen.
Sie wollen kein Sozialfall sein.
Bei der Europäisierung der Berufsbildung ist hier noch viel Arbeit zu leisten.

Ein wirtschaftlich starkes Europa dank einer starken Berufsbildung!
So muss der zukünftige Slogan heissen.

These 5:
Eine starke europäische Berufsbildung hängt von einer guten und engen Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammen. In der Schweiz nennen wir das Verbundpartnerschaft.

Am 07. Dezember 2010 hat die EU das Kommuniqué von Brügge verabschiedet, welche zu einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung führen soll.

Es lohnt sich, dieses Papier einmal zu lesen!
Es enthält viele interessante Ansätze und Überlegungen.
So findet man auch den Hinweis darauf, dass verstärkt Partnerschaften zwischen den verschiedensten Akteuren gefördert werden soll.

« Les pays participants devraient encourager les partenariats entre partenaires sociaux, entreprises, centres d’enseignement et de formation, services de l’emploi, autorités publiques, organismes de recherche et autres parties concernées, afin d’assurer un meilleur transfert d’informations sur les besoins du marché du travail et une meilleure adéquation entre ces besoins et l’acquisition de connaissances, d’aptitudes et de compétences. Les employeurs et les partenaires sociaux devraient s’efforcer de clairement définir les compétences et les qualifications dont ils ont besoin à court et à long terme, au niveau sectoriel et intersectoriel ». (Le communiqué de Bruges sur la coopération européenne renforcée en matière d’enseignement et de formation professionnels, p. 10, 2010).

Ziel ihrer Partnerschaft ist es vor allem, den Bedarf des Arbeitsmarktes sowohl in Bezug auf die Anzahl sowie auch in Bezug auf die Kompetenzen und Qualifikationen besser eruieren zu können.

Es ist das, was wir in der Schweiz gerade durch die Verbundpartnerschaft zu lösen versuchen.
Gerade in diesem Bereich sind wir den meisten europäischen Ländern weit voraus.
Hier müssen wir unsere Erfahrungen mit der Verbundpartnerschaft einbringen.
Ich werde noch unter den Folgerungen darauf zu sprechen kommen.

Zusammenfassung und erste Folgerung:

Die Schweiz bildet ihre jungen Leute für den europäischen Arbeitsmarkt aus.
Die grosse Mehrzahl erhält dabei ihre Ausbildung in der Berufsbildung.
Der Berufsbildungsweg hat dabei im europäischen Kontext nicht das gleich hohe Image wie der akademische Weg.
Die Schweiz ist daher herausgefordert, dem Berufsbildungsweg eine gleichwertige Anerkennung wie dem akademischen Weg zu verschaffen, und zwar sowohl in der Schweiz wie auch im europäischen Arbeits- und Bildungsmarkt.

Dazu muss sie eine Strategie entwickeln und umsetzen.
Eine solche existiert seit Juni 2010.
Damals wurde das Papier „Internationale Strategie der Schweiz im Bereich Bildung, Forschung und Innovation“ vom Bundesrat verabschiedet.
Es wäre Zeit, dieses Papier mit den Verbundpartnern wieder einmal zu diskutieren und allenfalls anzupassen.

Vielleicht könnte die heutige Tagung der Anlass dazu sein, dieses Strategiepapier 2010 wieder einmal hervorzuholen und mit den Erkenntnissen der heutigen Tagung zu konfrontieren.

Zweite Folgerung:

Die EU ist daran, für die Berufsbildung Instrumente zu schaffen wie etwa der europäische Qualifikationsrahmen EQR.
Die Schweiz hat solche Instrumente optimal einzusetzen.
Sie müssen dazu verhelfen, dass schweizerische Berufsbildungsabschlüsse von den Arbeitgebern im europäischen Arbeitsmarkt als „wertvoll“ erkannt und anerkannt werden.

Dazu braucht die höhere Berufsbildung

  • eine klarere Positionierung im Tertiärbereich, beginnend im Organigramm des neuen Staatssekretariates für Bildung, Forschung und Innovation
  • eine „mutige“ Einbettung in den europäischen Qualifikationsrahmen
  • ein europa-kompatibles Diploma supplement und
  • einen verstehbaren und für sich selbst sprechenden Titel.

Dritte Folgerung:

Die Schweiz tut gut daran, der Qualität der Berufsbildung wirklich Sorge zu tragen.
Die Stärken des Systems wie Wirtschaftsnähe, Lernen an drei Lernorten, Verbundpartnerschaft und Innovationsfähigkeit sind zu pflegen.

Aber die Qualität allein genügt nicht.

Die Berufsbildung muss auch verkauft werden, insbesondere auch die höhere Berufsbildung.
Es ist zu überlegen, ob nicht im Berufsbildungsgesetz im allgemeinen Teil Artikel 1 bis 12 eine neue Bestimmung aufgenommen werden muss.
Diese Bestimmung soll die Verbundpartner darin bestärken und unterstützen, das schweizerische Berufsbildungssystem im internationalen Kontext besser bekanntzumachen.
Dazu sollten auch Gelder nach Artikel 54 und 55 zur Verfügung stehen.

Zudem sollte die Berufsbildung die jungen Leute für den europäischen Arbeitsmarkt noch fitter machen, zum Beispiel den Zugang zu den Fremdsprachen vereinfachen.
Nächste Woche verabschiedet übrigens die Lehrstellenkonferenz unter Leitung von Bundesrat Schneider-Ammann einen Bericht zur Mobilität und zu den Fremdsprachen.
Dieser zeigt interessante Massnahmen auf, wie der Zugang zu den Fremdsprachen in der Berufsbildung vereinfacht werden kann.
Ich hoffe, die Berufsbildung ist offen, die Massnahmen aufzunehmen und umzusetzen.

Schliesslich meine ich, dass der europäische Arbeitsmarkt von den Abgänger und Abgängerinnen der Berufsbildung mehr Allgemeinbildung verlangt. Vielleicht wäre es möglich, jedem Lehrabgänger und jeder Lehrabgängerin nach der Lehre einen Bildungsgutschein auszuhändigen, der ihm erlaubt, seine Allgemeinbildung in den nächsten Jahren zu erweitern.

Schlussbemerkung

Sie haben von mir eine Stellungnahme zur Europäisierung der Berufsbildung verlangt.
Ich habe Ihnen gesagt, dass ich diesbezüglich kein Fachmann bin.
Ich bin wie viele in der Schweiz am Beginn eines Lernprozesses.

Meine Überlegungen aus der Sicht eines Wirtschaftsvertreters der Arbeitnehmerseite haben mich zu folgenden Ergebnissen geführt:

Die Berufsbildung wird im europäischen Kontext zu stark von sozialpolitischen Überlegungen geprägt.
Eine starke Berufsbildung ist notwendig für die Wirtschaft.
Sie steigert die Qualität und die Innovationskraft einer Volkswirtschaft. Produktivität
Dadurch löst sie aber indirekt auch soziale Probleme, weil eine funktionierende Wirtschaft Arbeitsplätze schafft.

Die Berufsbildung leidet aber unter ihrem Image.
Gerade die Entscheidungsträger in der Wirtschaft sind sich der hohen Bedeutung der Berufsbildung nicht bewusst.
Sie sind sich noch zu wenig bewusst, dass sie eine starke Berufsbildung brauchen.
Hier ist im europäischen Kontext noch viel Arbeit zu leisten.

Was die Politik in der Schweiz betrifft, so gibt es erste Ansätze für eine offensivere Gangart in der Berufsbildungspolitik.

Nötig ist:
Wir brauchen eine starke Positionierung der Berufsbildung im neuen Staatssekretariat.
Zudem müssen wir die Berufsbildung im europäischen Kontext besser verkaufen.
Dazu sind die Verbundpartner zu gewinnen, zum Beispiel durch eine neue Regelung im Berufsbildungsgesetz.

Mit ihrer Tagung heute setzen Sie bei der Europäisierung der Berufsbildung ein Ausrufezeichen.
Dafür danke ich Ihnen und wünsche Ihnen viel Erfolg.

Merci!

Bruno Weber-Gobet (15.11.2012)

Höhere Fachschulen anerkennen ist ein Gebot der Stunde

„Höhere Fachschulen“ gibt es im Berufsbildungssystem nicht mehr. Seit dem Inkrafttreten des neuen Berufsbildungsgesetzes gibt es nur noch eidgenössisch anerkannte Bildungsgänge der höheren Fachschulen. Diese Lösung führt zu unnötigen administrativen Aufwendungen. Nach Meinung von Travail.Suisse ist es ein Gebot der Stunde, wieder zur Anerkennung von höheren Fachschulen zurückzukehren.

Bildungsgänge der höheren Fachschulen sind ein wichtiger Teil des Bildungs- und Wirtschaftssystems. Durch ihre arbeitsmarktnahen, auf die Praxis ausgerichteten Studiengänge antworten sie auf die Nachfrage nach hochqualifizierten Fachkräften in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft und der Gesellschaft.

Der Systemwechsel mit dem neuen Berufsbildungsgesetz

Die höheren Fachschulen verloren während der Entwicklung des neuen Berufsbildungsgesetzes ihre eidgenössische Anerkennung. Bereits die Botschaft zum Gesetz wies darauf hin, dass anstelle der Schulen neu nur noch die Bildungsgänge eidgenössisch anerkannt werden sollen. Dieser Wechsel wurde vor allem aufgrund der Situation im Gesundheitswesen gemacht. Es bestanden dort sehr viele kleine einzelne Angebote, die man nicht als Schulen ansehen konnte. Heute sind aber im Gesundheitswesen an verschiedenen Orten grosse und zentralisierte Schulen entstanden. Der Systemwechsel erweist sich heute immer mehr als Nachteil für die „höheren Fachschulen“.

Kostenbewusstsein ist gefragt

Im heutigen Bildungssystem ist Kostenbewusstsein gefragt. Das Bildungswesen sollte all jene Chancen packen, bei denen ohne Abnahme der Qualität Einsparungen gemacht werden können. Bei den höheren Fachschulen liegt ein Sparpotential vor, und zwar an zwei  Orten:

Erstens: Heute wird bei jeder Anerkennung eines Studiengangs der höheren Fachschulen auch immer der Träger des Bildungsgangs überprüft. Bei Institutionen, die mehrere Bildungsgänge auf der Stufe der höheren Fachschulen anbieten, werden die Unterlagen über die Schule und die allgemeinen Abläufe (Prüfungen, Aufnahmeverfahren, Rekurse usw.) deshalb mehrfach kontrolliert. Wenn die Schulen eidgenössisch anerkannt werden, können die Bildungsgänge mit einem auf den fachlichen Teil beschränkten Verfahren zur Anerkennung geführt werden. Das führt zu einem erheblichen Minderaufwand für die Anerkennung, ohne dass dabei ein Qualitätsverlust hingenommen werden muss.

Zweitens: Auch Nachdiplomstudien der „höheren Fachschulen“ unterliegen einem Anerkennungsverfahren. Solche Verfahren sind zeitlich und finanziell aufwändig. Sie widersprechen eigentlich der Idee, dass der Bildungsmarkt in kurzer Zeit auf die Bedürfnisse der Wirtschaft antworten sollte. Denn die Anerkennungsverfahren sind teuer und brauchen Zeit. Sie sind heute aber notwendig, weil es keine anerkannten höheren Fachschulen gibt, die als Träger dieser Nachdiplomstudien auftreten können. Durch die Anerkennung der höheren Fachschulen könnte – wie bei den Fachhochschulen – der Nachdiplombereich in die Verantwortung einer anerkannten, auf Qualität hin untersuchten Schule gelegt werden. Damit würden Einsparungen ohne Qualitätsverluste ermöglicht.

Nähe zur Wirtschaft bleibt erhalten

Auch in einem System, das auf der Anerkennung von Schulen aufbaut, kann die Nähe zur Wirtschaft erhalten werden. Wichtig ist, dass bei der Anerkennung einer Schule die Erfüllung des Kriteriums der Zusammenarbeit mit den Organisationen der Arbeitswelt verlangt wird.

Schutz des Namens

Da es nach Gesetz und Verordnung keine „höheren Fachschulen“ gibt, ist der Name auch nicht geschützt. Er kann also missbräuchlich verwendet werden, ohne dass dies geahndet werden kann. Die Anerkennung von höheren Fachschulen würde es ermöglichen, ungenügend qualifizierten Schulen den Namen zu verbieten.

Internationale Beziehungen werden vereinfacht

Internationale Beziehungen laufen über Schulen, nicht über Studiengänge. Mit einer Anerkennung der Höheren Schulen werden auch die internationalen Beziehungen vereinfacht, da zum Beispiel der Austausch der Studierenden über anerkannte Schulen möglich wird.

Fazit

Die Anerkennung von höheren Fachschulen würde es ermöglichen:

  1. Einsparungen ohne Qualitätsverluste zu machen
  2. vor allem im Nachdiplombereich schneller und kostengünstiger auf die Bildungsbedürfnisse der Wirtschaft und der Gesellschaft zu reagieren
  3. die Nähe zur Wirtschaft zu behalten und
  4. den Schutz des Namens zu verbessern.
  5. die internationalen Beziehungen zu verinfachen.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik, Travail.Suisse