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Das Recht auf Berufsbildung im politischen und wirtschaftlichen Alltag leben

In der Schweiz gibt es kein einklagbares Recht auf Berufsbildung. Allerdings verpflichten sich Bund und Kantone, «in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative» sich dafür einzusetzen, dass «Kinder und Jugendliche sowie Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können». Diese Formulierung findet sich in den Sozialzielen der Bundesverfassung.[1] Der Grad des Einsatzes von Bund und Kantonen für die Sozialziele hängt dabei von der «verfassungsmässigen Zuständigkeit» und den «verfügbaren Mitteln» ab.

1. Die Sozialziele und die Berufsbildung

 Im Sozialziel in Artikel 41 f. der Bundesverfassung ist die Berufsbildung mitgedacht. Zwar können aus den Sozialzielen «keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden».[2] Aber die Politik hat sich an den Sozialzielen zu orientieren und sich im Zusammenhang mit dem Art. 41 f. BV zum Beispiel darum zu bemühen, Personen ihren Fähigkeiten entsprechend auszubilden, ihnen zum Beispiel eine Berufsausbildung zu ermöglichen.

1.1 Anwendungsfall Lehrstellenmangel

Das angesprochene Sozialziel erhielt in den letzten Jahren eine besondere Bedeutung. Der Zugang zur beruflichen Grundbildung war stark erschwert. Die Schweiz litt unter einem akuten Lehrstellenmangel. Wie wurde darauf reagiert? Es darf wohl mit Recht festgestellt werden, dass die Politik in Bezug auf die Berufsbildung ganz im Sinne der Sozialziele gehandelt hat. Es wurden Projekte lanciert, Reformen durchgeführt und Vereinbarungen abgeschlossen, um die Lehrstellensituation zu verbessern und die Chancen der Jugendlichen auf eine Lehrstelle und damit auf eine Berufsausbildung deutlich zu erhöhen. Das vielfältige Engagement hat erfreulicherweise zu spürbaren Verbesserungen geführt: Die Anzahl Lehrstellen stieg, die Probleme konnten besser erfasst und wichtige Instrumente geschaffen oder verfeinert werden. Wichtigen Anteil am Erfolg und an den Verbesserungen haben folgende Faktoren:

  • Stark ausgebautes Lehrstellenmarketing: Auf den Lehrstellenmangel haben die Kantone und die Organisationen der Arbeitswelt mit einem stark ausgebauten Lehrstellenmarketing reagiert. Durch Gespräche mit den Betrieben über den Wert und die Bedeutung der Lehre, durch die Entlastung von administrativen Arbeiten und den Aufbau von Ausbildungsverbünden konnten neue Betriebe für die Lehre gewonnen und alte Lehrbetriebe bei der Stange gehalten werden. Zwischen 1999 und 2010 konnten rund 28 000 Lehrstellen dazugewonnen werden.
  • Brückenangebote, gesetzlich gefördert durch den Artikel 12 des Berufsbildungsgesetzes[3]: Über das Berufsbildungsgesetz wurden die Kantone beauftragt, Jugendliche mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit über Brückenangebote auf die berufliche Grundbildung vorzubereiten. Diese Angebote halfen vielen Jugendlichen, ihre Chancen auf dem Lehrstellenmarkt zu verbessern und ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Desintegration vorzubeugen.
  • Möglichkeit zur Finanzierung von Berufsbildungsprojekten, geregelt in den Artikeln 54 und 55 des neuen Berufsbildungsgesetzes: Mit diesem wurde ein Innovationsfonds geschaffen, mit dessen Hilfe Bildungsprojekte mitfinanziert werden können. Viele Lehrstellenprojekte konnten in den letzten Jahren dank ihm gestartet und umgesetzt werden. Viele engagierte Leute und Organisationen in der Berufsbildung fanden in diesem Fonds die finanzielle Basis für die Umsetzung ihrer Ideen zugunsten der Berufsbildung und der Jugendlichen.
  • Bewusst eingesetzte Kosten-Nutzen-Analyse in der beruflichen Grundbildung in Bezug auf die Lehrbetriebe: Die Ausbildungsbereitschaft von Betrieben hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein wichtiges Element ist, dass sich eine Lehrlingsausbildung aus der Sicht der Betriebe lohnt. Bei der Reform der beruflichen Grundbildung ist daher das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Auge zu behalten, was bei der Erarbeitung von Bildungsverordnungen in den letzten Jahren regelmässig geschah.[4]
  • Einführung des Case-Managements in der Berufsbildung: Jugendliche und junge Erwachsene mit komplexen Mehrfachproblematiken sind besonders gefährdet, den Übertritt von der Sekundarstufe I zur Sekundarstufe II nicht zu schaffen. Das Case-Management fördert die Interinstitutionelle Zusammenarbeit ( IIZ ). Eine fallführende Stelle sorgt über institutionelle Grenzen hinweg während der Phasen der Berufswahl und der Berufsbildung für ein planmässiges, koordiniertes und kontrolliertes Vorgehen.
  • Schaffung der Attestlehre: Das neue Berufsbildungsgesetz hat die Anlehre durch die Attestlehre ersetzt. Vor allem praktisch begabte Jugendliche haben damit die Möglichkeit erhalten, einen definierten Berufsabschluss zu erreichen, der mit einem klaren Berufsprofil verbunden ist. Zudem besteht Durchlässigkeit von der zweijährigen Grundbildung mit Berufsattest zu den drei- und vierjährigen Lehren mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis ( Lehrabschluss ).

1.2 Das Commitment der Verbundpartner der Berufsbildung

Das Anliegen, durch gezielte Massnahmen Jugendlichen eine berufliche Grundbildung zu ermöglichen, hat sich auch in einem Commitment der Verbundpartner der Berufsbildung niedergeschlagen.[5] 2006 haben sich Bund, Kantone und die Spitzenverbände der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände in einer Vereinbarung darauf geeinigt, bis ins Jahr 2015 die Abschlussquote der unter 25-jährigen Personen auf Sekundarstufe II von 90 auf 95 Prozent zu steigern. Dies war angesichts der damals herrschenden Lehrstellensituation ein überaus herausforderndes Ziel. Um es zu erreichen, wurde unter der Leitung der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren ( EDK ) das Projekt «Nahtstelle obligatorische Schulzeit – Sekundarstufe II»[6] ins Leben gerufen. Mit diesem Commitment wurde das Recht auf Berufsbildung zwar nicht gesetzlich festgeschrieben, aber im politischen Alltag als politisches Ziel faktisch und praktisch anerkannt. Ob und wie weit all die ausgelösten Massnahmen zu den erhofften Ergebnissen führen, wird eine Evaluation im Jahre 2015 zeigen.

1.3 Vom Lehrstellenmangel zum Fachkräftemangel

Situationen ändern sich, auch in der Berufsbildung. Aus dem Lehrstellenmangel der letzten 16 Jahre ist ein zunehmender Fachkräftemangel geworden. In der Bildungspolitik drängen sich damit neue Fragen und Probleme in den Vordergrund. Noch stehen wir bei der Problemerfassung erst am Anfang. Niemand weiss genau, wie eine erfolgreiche Berufsbildungspolitik im neuen Kontext auszusehen hat. Klar ist, dass es auch in Zukunft Probleme an der Nahtstelle eins geben wird, das heisst beim Übergang von der obligatorischen Schulzeit in die Sekundarstufe II. Allerdings ist das Hauptproblem nicht mehr der Mangel an Lehrstellen, sondern eine zu geringe Nachfrage nach bestimmten Lehrstellen und ein Mangel an geeigneten Lehrlingen für bestimmte Lehrstellen. Die Politik wird also lernen müssen, Artikel 13 des Berufsbildungsgesetzes[7] neu zu lesen und in geeigneter Weise darauf zu reagieren.

Der Fokus der Berufsbildung war in den letzten Jahren klar auf die Jugendlichen an der Nahtstelle eins gerichtet. Die Politik wollte nicht zulassen, dass sie mit 25 Jahren ohne berufliche Ausbildung dastehen. Ihnen wollte man – wenn auch nicht als gesetzlich festgehaltene Pflicht, so doch als Folge von politischem Handeln – eine Art Recht auf Berufsbildung zugestehen. Dieser durch den Lehrstellenmangel bedingte Fokus hat jedoch die Auseinandersetzung mit einer anderen Gruppe verhindert: den erwachsenen Personen ohne berufliche Erstausbildung. In der Schweiz leben rund 600 000 Personen zwischen 25 und 64 Jahren, die über keinen Abschluss auf Sekundarstufe II verfügen. Angesichts der neuen Situation, die nicht mehr von Lehrstellenmangel, sondern von einem Lehrstellenüberschuss und Fachkräftemangel gekennzeichnet ist, ist das Recht auf Berufsbildung im Sinne der Sozialziele auf diese Gruppe auszudehnen. Wie das allenfalls zu machen ist, soll im Folgenden dargestellt werden.

2. Förderung der Nachholbildung von Erwachsenen als neues Thema der Berufsbildung

Das Berufsbildungsgesetz sieht zwar die Möglichkeit von Nachholbildungen für erwachsene Personen ohne Berufsabschluss vor. Es sieht aber in seiner heutigen Form nicht vor, die berufliche Nachholbildung bewusst zu fördern. Die Nachholbildung von erwachsenen Personen ohne Berufsabschluss wird eines der zentralen bildungspolitischen Themen der nächsten Jahre werden. Das Recht auf Berufsbildung im Sinne der Sozialziele muss im politischen und wirtschaftlichen Alltag in Zukunft auch für Erwachsene gelten. Eine berufliche Nachholbildung kann zum Beispiel über eine Validierung der Bildungsleistungen[8], eine verkürzte Lehre oder ein Qualifikationsverfahren[9] nach Artikel 32 der Berufsbildungsverordnung ausgestaltet sein.

2.1 Gründe für die Förderung der Nachholbildung

Es gibt drei gute Gründe, die berufliche Nachholbildung zu fördern:

  • Demografischen Wandel gesellschaftsverträglich bewältigen: Aufgrund des demografischen Wandels steuern wir auf einen Arbeits- und Fachkräftemangel zu. Das heisst, dass die Politik und die Wirtschaft alles tun müssen, um das bereits in der Schweiz bestehende Arbeitskräfte- und Fachkräftepotenzial möglichst vollständig zu nutzen. Neben den Anstrengungen, die zur Vermeidung von Ausbildungslosigkeit bei Jugendlichen bereits unternommen werden, ist die Forcierung beruflicher Nachholbildung ein zentraler Bestandteil einer solchen Strategie. Denn die Alternativen zu mehr Bildung und Nachholbildung sind erstens mehr Migration und zweitens höhere Kosten bei der sozialen Sicherheit.
  • Chancen der Bildungspolitik nutzen: Die Bildungsgesetzgebung sieht die berufliche Nachholbildung vor. Die gesetzlichen Grundlagen und Instrumente dafür sind weitgehend vorhanden. Gegenwärtig wird in allen Kantonen ein Validierungssystem aufgebaut. Ein Leitfaden des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie ( BBT )[10]bildet die Grundlage für diesen Prozess. Eine Gruppe der Schweizerischen Berufsbildungsämter-Konferenz ( SBBK ) ist daran, den Aufbau zu steuern. Jetzt geht es darum, dieses Instrument zu nutzen und zu einem festen Bestandteil der Bildungslandschaft Schweiz zu machen. Dazu ist ein verstärkter Wille der Verbundpartner der Berufsbildung nötig ( Bund, Kantone, Organisationen der Arbeitswelt ), die Chancen zu packen und die berufliche Nachholbildung von Erwachsenen ohne Berufsabschluss zu fördern.
  • Lebensqualität der Betroffenen verbessern: Vor allem aber geht es darum, die Lebensqualität der betroffenen ausbildungslosen Erwachsenen zu verbessern. Diese sind nämlich mit verschiedenen Risiken und Benachteiligungen konfrontiert. So weisen sie eine sehr geringe Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt auf. Ohne den Nachweis einer abgeschlossenen Ausbildung sind Bewerbungen oft chancenlos. Zudem profitieren sie kaum von Weiterbildung, was ihre Arbeitsmarktfähigkeit weiter beeinträchtigt. Ferner führt ihre Ausbildungslosigkeit dazu, dass ihr Lohn tief ist und bleibt. Und schliesslich ist ihr Risiko für Langzeitarbeitslosigkeit oder einen definitiven Ausschluss aus dem Arbeitsmarkt massiv höher.

2.2 Ein neues Commitment der Verbundpartner der Berufsbildung zur Nachholbildung

Um die berufliche Nachholbildung von Erwachsenen ohne Berufsabschluss zu fördern, scheint es sinnvoll zu sein, in einer ersten Phase ein neues Commitment unter den Verbundpartnern der Berufsbildung auszuarbeiten, wie man dies im Zusammenhang mit dem Lehrstellenmangel 2006 gemacht hat. Die Verbundpartner müssen sich einig werden über die gemeinsamen Ziele, die umzusetzenden Massnahmen, die Finanzierung, die Organisation, die Verantwortlichkeiten und das Monitoring. In einer zweiten Phase ist das Commitment umzusetzen. In beiden Phasen ist auf die Möglichkeit der Projektförderung nach Artikel 54 und 55 des Berufsbildungsgesetzes zurückzugreifen. Dank dieser gesetzlichen Grundlage hat der Bund die Möglichkeit, die Analyse- und Planungsarbeit mitzufinanzieren und geeignete Massnahmen gemäss den gesetzlichen Regelungen zu unterstützen.

 

3. Vorarbeiten von Travail.Suisse zur beruflichen Nachholbildung

Travail.Suisse hat in den letzten Jahren zwei Studien zum Thema «Ausbildungslosigkeit von Erwachsenen» in Auftrag gegeben. Die erste beschäftigt sich mit den gesellschaftlichen Kosten der Ausbildungslosigkeit, die zweite vor allem mit der Frage, wie gross das Potenzial an Personen ohne berufliche Erstausbildung ist, die eine gute Chance haben, über eine berufliche Nachholbildung zu einem Berufsabschluss zu kommen. Beide Studien zusammen schaffen eine erste Basis für die Entwicklung eines Commitments der Verbundpartner der Berufsbildung zur beruflichen Nachholbildung.

3.1 Studie 1 : Gesellschaftliche Kosten der Ausbildungslosigkeit

Welche Kosten entstehen auf gesellschaftlicher Ebene, wenn Personen im erwerbsfähigen Alter keine Ausbildung auf Sekundarstufe II besitzen? Das Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) hat eine Antwort auf diese Frage in einer 2009 veröffentlichten Studie[11] gegeben. «Die erwarteten durchschnittlichen Kosten der Ausbildungslosigkeit, die für die Gesellschaft in der Form von höheren Sozialausgaben und geringeren Sozialversicherungs- und Steuereinnahmen entstehen, betragen für Personen, die in der Schweiz die obligatorische Schule absolviert haben, zwischen 8069 Franken (Mittelwertschätzer Minimalvariante) und 11 201 Franken (Mittelwertschätzer Maximalvariante) pro Person und Jahr. Wird einer Person ohne Sek-II-Abschluss ermöglicht, einen Sek-II-Abschluss nachzuholen, können also gesellschaftliche Kosten in der Höhe von rund 10 000 Franken pro Jahr eingespart werden. Zusätzlich können erhebliche Einkommensnachteile für das Individuum selber vermieden werden.»[12]

Aufgrund dieser Studie hat Travail.Suisse gefordert, dass die berufliche Nachholbildung von Erwachsenen ohne Berufsabschluss forciert werden muss, einerseits, um die Situation der Betroffenen zu verbessern, andererseits aber auch, um die gesellschaftlichen Kosten zu minimieren. Zu diesem Zeitpunkt wusste man allerdings nicht, wie gross das Potenzial für berufliche Nachholbildungen ist. Travail.Suisse hat daher eine zweite Studie zur Klärung dieser Frage in Auftrag gegeben.

3.2 Studie 2 : Potenzial für berufliche Nachholbildungen über Validierungen

Die zweite Studie, durchgeführt von der Berner Fachhochschule[13], hat ein beträchtliches Potenzial für Nachholbildungen über Validierungen aufgezeigt. «Rund 600 000 Personen im Alter zwischen 25 und 64 Jahren waren im Jahr 2009 in der Schweiz ausbildungslos. Um mit dieser Studie das Potenzial an geeigneten ausbildungslosen Personen für die Validierung von Bildungsleistungen ermitteln zu können, wurden Personen betrachtet, die aktuell erwerbstätig sind. Sie eignen sich für die Validierung besonders und der entsprechende Nutzen ist bei ihnen am grössten. Zudem wurde die betrachtete Grundgesamtheit eingeschränkt auf Personen mit Bildungssozialisation in der Schweiz, da das Validierungsverfahren gute Kenntnisse einer Landessprache voraussetzt. Berechnungen auf Basis von SAKE 2009 zeigen, dass das in dieser Weise ermittelte Bruttopotenzial an Personen, die über eine Validierung einen Erstabschluss nachholen könnten, auf rund 170 000 Personen geschätzt werden kann, was also einem guten Viertel aller ausbildungslosen Personen im Alter von 25 bis 64 Jahren entspricht.

Am besten geeignet für eine Validierung ist die Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen, die mehrheitlich fünf und mehr Jahre Berufserfahrung haben und fünf und mehr Jahre im selben Betrieb gearbeitet haben. Je früher ein Validierungsverfahren eingesetzt wird, desto wirtschaftlicher ist dieses in Bezug auf die weitere berufliche Tätigkeit, sowohl für die Betroffenen selber als auch für die Wirtschaft und den Staat. Ab dem Alter von 50 Jahren gestaltet sich ein Berufswechsel zunehmend schwieriger. Unter diesen Einschränkungen ergibt sich eine Gruppe von rund 70 000 ausbildungslosen Personen mit guten Voraussetzungen bezüglich Bildung und Berufserfahrung. Wird zudem noch eingegrenzt auf Personen, die bereits seit mindestens fünf Jahren im gleichen Betrieb arbeiten und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit denselben Beruf ausgeübt haben, so ergibt sich ein (Netto) Potenzial von 52 000 Personen in der Schweiz, die sich für die Durchführung des Validierungsverfahrens sehr eignen.»[14]

3.3 Folgerungen aus den beiden Studien

Aus den beiden Studien lassen sich einige Schlüsse ziehen:

  • Nachholbildungen lohnen sich: Berufliche Nachholbildungen lohnen sich nicht nur für die Personen selber, sondern gerade auch für die Gesellschaft. Die Studie 2 zeigt, «dass langfristig, das heisst über einen Zeitraum von 15 bis 30 Jahren, die von der öffentlichen Hand investierten Kosten für die Validierung in fünf- bis sechsfachem Umfang in Form von Steuereinnahmen, Sozialversicherungsbeiträgen und eingesparten öffentlichen Unterstützungsleistungen zurückfliessen».[15] Die Vorarbeiten von Travail.Suisse haben daher einen weiteren Grund aufgezeigt, warum ein gemeinsames Engagement der Verbundpartner im Bereich der beruflichen Nachholbildung angezeigt ist : Nachholbildungen bringen neben einem persönlichen und wirtschaftlichen auch einen gesellschaftlichen Nutzen.
  • Das Potenzial für Nachholbildungen ist gross: Gegenwärtig machen um die 700 Personen jährlich eine berufliche Nachholbildung über den Weg der Validierung. Nehmen wir die 52 000 Personen, die nach der Untersuchung der Berner Fachhochschule eine sehr gute Voraussetzung haben, einen Berufsabschluss über ein Validierungsverfahren zu erreichen, so ist das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Travail.Suisse schlägt vor, dass in den nächsten zehn Jahren 30 000 Validierungen anzustreben sind, was zwar auf der einen Seite Kosten von rund 240 Millionen Franken auslöst, auf der anderen Seite aber ein Mehrfaches an Einsparungen einbringt.[16]
  • Nachholbildungen lohnen sich auch bei Personen im Alter über 40 Jahre: Durch die beiden Studien bekommt der Begriff «lebenslanges Lernen» ein neue Bedeutung. Bei Personen im Alter über 40 Jahre denken wir in Bezug auf lebenslanges Lernen an Weiterbildung, aber kaum an Erstausbildung. Beim Thema «Erstausbildung» denken wir automatisch an Jugendliche und junge Erwachsene bis 25 oder maximal 30 Jahre. Das ist aber falsch, wie die Ergebnisse der beiden Studien zeigen. Auch bei Personen über 40 Jahre ohne Erstausbildung besteht noch ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis für die Gesellschaft, wenn sie über eine berufliche Nachholbildung einen Berufsabschluss erreichen. Geschieht die berufliche Nachholbildung über eine Validierung, so beträgt das Kosten-Nutzen-Verhältnis im Durchschnitt 1 :5,4, bei einer verkürzten Lehre 1 :3,4 und bei einer vollen Lehre 1 :2,6.[17]
  • Um ein Commitment zwischen den Verbundpartnern der Berufsbildung zu erarbeiten, genügen natürlich diese beiden Studien nicht. Ergänzende Forschungsarbeiten sind notwendig, beispielsweise über die Branchen, in denen die Personen ohne Berufsabschluss arbeiten, oder über den Personalbedarf bestimmter Branchen. Hierzu könnten die Forschungsstätten der Berufsbildung, die sogenannten «Leading Houses der Berufsbildung»[18], einen Beitrag leisten.

 

4. Hilfreiche Gesetzesanpassungen

Der Versuch, mit Hilfe eines neuen Commitments zwischen den Verbundpartnern der Berufsbildung die berufliche Nachholbildung von Personen ohne Berufsabschluss zu fördern, ist ein guter Weg. Kommt das Commitment zustande, können die Verbundpartner für die Zielgruppe der Ausbildungslosen das Recht auf Berufsbildung im Sinne des Sozialziels der Bundesverfassung zweckmässig wahrnehmen. Vieles ist möglich auf diesem Weg, aber nicht alles. Wahrscheinlich muss für die Finanzierung der Förderung der beruflichen Nachholbildung eine bessere gesetzliche Grundlage auf eidgenössischer Ebene geschaffen werden. Denn gegenwärtig ist im Berufsbildungsgesetz die Förderung der beruflichen Nachholbildung nicht explizit erwähnt. Es soll deshalb hier aufgezeigt werden, wie eine solche Gesetzesänderung aussehen und wie sie allenfalls angepackt werden könnte.

4.1 Änderung des Artikels 12 des Berufsbildungsgesetzes

Zentral ist eine Änderung des Artikels 12 des Berufsbildungsgesetzes. Artikel 12 lautet gegenwärtig: «Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung: Die Kantone ergreifen Massnahmen, die Personen mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit auf die berufliche Grundbildung vorbereiten.» Dieser Gesetzestext ist klar von der 1996 erstmals diagnostizierten Lehrstellenkrise geprägt. Im Blickpunkt stehen Jugendliche, die aufgrund ihrer Bildungsdefizite ohne Unterstützung keine Chance auf dem angespannten Lehrstellenmarkt haben. Angesichts der sich verändernden Situation (aus dem Lehrstellenmangel ist ein Fachkräftemangel geworden) ist dieser Gesetzestext zu ergänzen. Neu müssen von diesem Artikel auch Erwachsene ohne Berufsausbildung erfasst werden. Artikel 12 könnte dann neu etwa folgendermassen lauten:

 «Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung und die berufliche Nachholbildung :

Die Kantone ergreifen geeignete Massnahmen,

1 die Personen mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit auf die berufliche Grundbildung vorbereiten;

2 (neu) die erwachsenen Personen ohne berufliche Grundbildung die Möglichkeit schaffen, über die anderen Qualifikationsverfahren (Nachholbildung) einen Abschluss der beruflichen Grundbildung zu erlangen.»

Eine solche Gesetzesänderung ist nötig, damit die Förderung der beruflichen Nachholbildung auch in das Kapitel 8 des Berufsbildungsgesetzes (Beteiligung des Bundes an den Kosten der Berufsbildung) und dort insbesondere in die Artikel 53 (Pauschalbeiträge an die Kantone) und Artikel 55 (Beiträge an besondere Leistungen im öffentlichen Interesse) aufgenommen werden kann. Nur so kann die notwendige Finanzierungssicherheit geschaffen werden.

4.2 Chance «Weiterbildungsgesetz»

Gegenwärtig wird auf Bundesebene ein eidgenössisches Weiterbildungsgesetz geschaffen. Beim aktuellen Stand der Diskussion[19] kann davon ausgegangen werden, dass das Gesetz Regelungen in Bezug auf den Erwerb und Erhalt von Grundkompetenzen Erwachsener enthalten wird. Für die berufliche Nachholbildung ist diese Gesetzesbestimmung sehr wichtig. Ohne Grundkompetenzen können Erwachsene keine berufliche Nachholbildung anstreben. Das Weiterbildungsgesetz sieht auch vor, dass nichtformale und informelle Bildung an die formale Bildung, zum Beispiel an die berufliche Grundbildung, angerechnet werden kann. Damit nimmt auch das Weiterbildungsgesetz das Thema «Nachholbildung» auf. Aber wie im Berufsbildungsgesetz wird auch im Weiterbildungsgesetz die Nachholbildung nur geregelt, nicht gefördert. Dies ist mit einer entsprechenden Ergänzung zu korrigieren. Der Artikel 7 des zukünftigen Weiterbildungsgesetzes könnte damit folgendermassen lauten:

«Art. 7 Anrechnung von Bildungsleistungen an die formale Bildung

1 Bund und Kantone sorgen mit ihrer Gesetzgebung für transparente und möglichst gleichwertige Verfahren zur Anrechenbarkeit von Weiterbildung und informeller Bildung an die formale Bildung.

2 Sie bezeichnen die Organe, welche die Kriterien für die Anrechenbarkeit festlegen und für die Transparenz sorgen.

3 ( neu ) Sie ergreifen zusammen mit den Organisationen der Arbeitswelt Massnahmen, die erwerbstätige Personen ohne berufliche Grundbildung auf die anderen Qualifikationsverfahren (Nachholbildung) vorbereiten.»

Das Weiterbildungsgesetz schafft auch die Möglichkeit, die Artikel 12, 53 und 55 des Berufsbildungsgesetzes zu ändern. Über den Artikel 22 des Weiterbildungsgesetzes («Änderung bisherigen Rechts») könnte diese Änderung in den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess einfliessen.

5. Zusammenfassung

Es ist Zeit, die berufliche Nachholbildung von Personen ohne beruflichen Abschluss zu einem zentralen Ziel der Berufsbildungspolitik zu machen. Gründe dafür gibt es genug: der sich abzeichnende Fachkräftemangel, die gesellschaftlichen Kosten der Ausbildungslosigkeit, aber vor allem auch die notwendige Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Personen. Ähnlich wie beim Lehrstellenmangel kann ein Commitment der Verbundpartner der Berufsbildung ( Bund, Kantone, Organisationen der Arbeitswelt ) helfen, die Probleme effizient und effektiv zu lösen und so die berufliche Nachholbildung mit geeigneten Massnahmen zu fördern. Die notwendigen Gesetzesänderungen lassen sich über das Weiterbildungsgesetz vornehmen, das in Bälde im Parlament diskutiert wird. Die Sozialziele der Bundesverfassung sehen unter anderem vor, dass sich Bund und Kantone dafür einsetzen, dass «Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können». Ein Commitment unter den Verbundpartnern zur beruflichen Nachholbildung wäre eine ansprechende Antwort auf die Forderung des erwähnten Sozialziels. Dem Recht auf Berufsbildung würde im politischen und wirtschaftlichen Alltag ganz im Sinne des Sozialziels mehr Raum gegeben. Es ist zu hoffen, dass das Commitment zustande kommt.

Bruno Weber-Gobet, Leiter Bildungspolitik Travail.Suisse. In: Caritas Sozialalmanach 2013, Bildung gegen Armut, Januar 2013, S.143ff.

6. Literaturhinweise

        Bundesamt für Berufsbildung und Technologie : Validierung von Bildungsleistungen. Leitfaden für die berufliche Grundbildung. Bern, September 2010. www.bbt.admin.ch/themen/berufsbildung/01183/0118index.html?lang=de

        Fritschi Tobias, Oesch Thomas ( Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien / BASS ), Jann Ben ( ETH Zürich ) : Gesellschaftliche Kosten der Ausbildungslosigkeit in der Schweiz ( Schlussbericht ). Im Auftrag von Travail.Suisse. Mai 2009. www.travailsuisse.ch/de/system/files/ausbildungslosigkeit_schlussbericht_defMai.pdf

        Fritschi Tobias, Bannwart Livia, Hümbelin Oliver, Frischknecht Sanna ( Berner Fachhochschule ) : Gesellschaftliche Kostender Ausbildungslosigkeit mit Fokus auf Validierung und Ausbildungsabbrüche, Schlussbericht im Auftrag von Travail.Suisse. Bern, 20. März 2012. www.travailsuisse.ch/de/system/files/Schlussbericht+Ausbildungslosigkeit+2.4.12.pdf

        Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren ( EDK ) : Leitlinien zur Optimierung der Nahtstelleobligatorische Schule – Sekundarstufe II. 2006. www.edk.ch/dyn/12781.php

        www.nahtstelle-transition.ch

        www.berufsbildung.ch / download / mb6.pdf

        www.bbt.admin.ch/themen/berufsbildung/00405/00406/index.html?lang=de   

        www.bbt.admin.ch/aktuell/medien/00483/00594/index.html?lang=de&msg-id=42136

        www.ehb-schweiz.ch/dezentrumberufsentwicklung/ErarbeitungvonBildungsverordnungen/Seiten / default.aspx

        www.validacquis.ch/InfoKand.php

 

 


[1]Artikel 41 Bundesverfassung :

1 Bund und Kantone setzen sich in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative dafür ein, dass :

f. Kinder und Jugendliche sowie Personen im erwerbsfähigen Alter sich nach ihren Fähigkeiten bilden, aus- und weiterbilden können ;

3 Sie streben die Sozialziele im Rahmen ihrer verfassungsmässigen Zuständigkeiten und ihrer verfügbaren Mittel an.

4 Aus den Sozialzielen können keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden.

[2] Ebd.

[3]Art. 12 Berufsbildungsgesetz : Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung

Die Kantone ergreifen Massnahmen, die Personen mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit auf die berufliche Grundbildung vorbereiten.

[4] vgl. www.ehb-schweiz.ch/de/zentrumberufsentwicklung/ErarbeitungvonBildungsverordnungen /Seiten/default.aspx

[5] Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren, 2006.

[7] Artikel 13 Berufsbildungsgesetz : Ungleichgewichte auf dem Markt für berufliche Grundbildung :

Zeichnet sich ein Ungleichgewicht auf dem Markt für berufliche Grundbildung ab oder ist ein solches Ungleichgewicht bereits eingetreten, so kann der Bundesrat im Rahmen der verfügbaren Mittel befristete Massnahmen zur Bekämpfung treffen.

[8] www.validacquis.ch/InfoKand.php

[10] Bundesamt für Berufsbildung und Technologie, 2010.

[12] Ebd.

[13] Fritschi et al., 2012.

[14] Ebd., S. 6 f.

[15] Ebd., S. 40

[16]«Die [] Kosten der öffentlichen Hand für die drei Formen zur Erlangung eines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses ( EFZ ) betragen 8000 Franken für die Validierung, 25 000 für die verkürzte Lehre bzw. Lehre nach Artikel 32 und 50 000 Franken für eine volle Lehre.» Aus : Fritschi et al., 2012, S. 40.

[17] Ebd.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bruno Weber-Gobet, Das Recht auf Berufsbildung im politischen und wirtschaftlichen Alltag leben. Aus: Caritas Sozialalmanach 2013: Bildung gegen Armut, S.143-157

 

Besoins de l’économie et état des lieux de la politique suisse

Vortrag gehalten am 15.11.2012 an der Tagung „Européanisation de la formation professionnelle“ von EHB und SGAB in Morges.

Sehr geehrte Damen und Herren

Zuerst möchte ich mich für die Einladung zu Ihrem interessanten und wichtigen Anlass ganz herzlichen bedanken.

Als ich an meinem Referat zu schreiben begann, habe ich mich allerdings gefragt:
Was kann ich zu Ihrem Anlass schon beitragen?
Ich bin kein Spezialist in den heute besprochenen Fragen.
Zudem muss ich Ihnen mein Französisch zumuten.
Ich hoffe, es gibt nicht zu viele Missverständnisse, weil ich die Worte falsch betone oder ausspreche.

Das Thema meines Vortrages lautet:
Besoins de l’économie et état des lieux de la politique suisse.

Der Titel nimmt Bezug auf die zwei Kontexte, in denen ich mich beruflich bewege.

Einerseits die Politik.
Seit rund 16 Jahren habe ich die Möglichkeit, bei politischen Fragen im Bereich der Berufsbildung in einem inneren Kern mitzudiskutieren.
So bin ich Mitglied der Eidgenössischen Berufsbildungskommission und war auch in der Expertenkommission für die Entwicklung des neuen Berufsbildungsgesetzes tätig.

Andererseits die Wirtschaft.
Als Geschäftsleitungsmitglied von Travail.Suisse interessieren mich Bildungs- und Arbeitsmarktfragen, und zwar aus der Sicht der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Aus beiden Perspektiven versuche ich nun dem Thema Ihrer Tagung „Européanisation de la Formation professionnelle“ näherzukommen und meine Erfahrungen und Vorstellungen einzubringen.

Dazu werde ich zuerst fünf Thesen ausformulieren und dann drei Folgerungen daraus ziehen.
Die einzelnen Thesen und Folgerungen finden Sie jeweils auf der Powerpointpräsentation.

These 1:
Interne Probleme der Berufsbildung Schweiz haben in den letzten Jahren die Sicht auf Europa verstellt.

In den letzten 16 Jahren hat sich die Berufsbildungspolitik vor allem mit einem Thema auseinandergesetzt: der Lehrstellenkrise.
Viele Aktivitäten auf Bundes- wie auch auf kantonaler Ebene galten dem einen Ziel, nämlich mehr Lehrstellen zu schaffen und den Jugendlichen mit Problemen auf dem Lehrstellenmarkt den Zugang zu einer Lehrstelle zu ermöglichen.

Diese Blickrichtung prägt auch das neue Berufsbildungsgesetz, das 2004 in Kraft getreten ist.
So wird etwa in Artikel 13 des Berufsbildungsgesetzes dem „Ungleichgewicht auf dem Markt der beruflichen Grundbildung“ (=Lehrstellenkrise) der Kampf angesagt.
Oder in Artikel 12 des Berufsbildungsgesetzes die Kantone verpflichtet, „Personen mit individuellen Bildungsdefiziten am Ende der obligatorischen Schulzeit auf die berufliche Grundbildung“ vorzubereiten.
Auch die Projektgelder nach Artikel 54 und 55 des Berufsbildungsgesetzes sind zu einem recht grossen Teil zur Bekämpfung der Lehrstellenkrise eingesetzt worden.

Das Thema „Europa“ kommt hingegen im Berufsbildungsgesetz nur indirekt vor, weit hinten im Artikel 68.
Dort geht es einerseits um die Anerkennung ausländischer Diplome und Ausweise in der Schweiz. Also nicht um die Anerkennung schweizerischer Diplome im Ausland, was uns heute sehr beschäftigt.
Andererseits geht es um den Bundesrat.
Ihm wird im Artikel 68 das Recht zugesprochen, „zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit und Mobilität in eigener Zuständigkeit internationale Vereinbarungen“ abzuschliessen.
Dies ist eine wichtige Bestimmung, gerade auch im Zusammenhang mit dem Thema „Anerkennung der schweizerischen Diplome im Ausland“.
Allerdings, indem der Bundesrat mit dieser Aufgabe betraut wird, sind die anderen Partner der Berufsbildung von diesem Thema wie befreit.

Das entspricht ganz der Stimmung bei der Ausarbeitung des neuen Berufsbildungsgesetzes.

Soviel ich mich erinnern kann, hat keiner der Experten das Thema „Europäisierung der Berufsbildung“ aufgeworfen, und diesbezüglich einen Diskussionsbedarf angemeldet.
Auch ich nicht.
Mir war das Thema damals absolut fremd.

So wurde das Hauptthema des Berufsbildungsgesetzes durch eine schweizerische Innensicht bestimmt.
Und dieses Thema hiess damals Lehrstellenkrise.
 
These 2:
Durch die Einführung der Personenfreizügigkeit bildet die Schweiz Personen für den europäischen Arbeitsmarkt aus. Der europäische Arbeitsmarkt findet auch in der Schweiz statt.

Im Jahre 2000 hat das schweizerische Stimmvolk die Personenfreizügigkeit mit der europäischen Union angenommen.
Und im gleichen Jahr wurde sie auch eingeführt.
Zwar war die Personenfreizügigkeit am Anfang noch mit bestimmten Einschränkungen versehen, wie zum Beispiel „Kontingente“.
Aber seit 2005 sind auch diese Einschränkungen nicht mehr in Kraft.
Das heisst, wenn die Schweiz heute junge Menschen ausbildet, so bildet sie diese Personen für den europäischen Arbeitsmarkt aus.
Zum europäischen Arbeitsmarkt gehört dabei auch die Schweiz.
Wenn Arbeitnehmende, die in der Schweiz ausgebildet wurden, sich für eine Stelle in der Schweiz oder der EU bewerben, so stehen sie aufgrund der Personenfreizügigkeit auch in Konkurrenz zu Personen, die in anderen Ländern ausgebildet wurden.
Um in dieser Konkurrenzsituation bei einer Bewerbung erfolgreich zu sein, muss die Ausbildung vom Arbeitgeber als „wertvoll“ erkannt und anerkannt werden.

These 3:
Eine Ausbildung wird vom Arbeitgeber als „wertvoll“ erkannt und anerkannt, wenn
•          die Qualität der Ausbildung stimmt
•          der Titel verständlich ist
•          das Ansehen hoch ist.

Bei einer Bewerbung wird einerseits eine Person bewertet, andererseits ihre Ausbildung.
Beide Faktoren zusammen machen den Erfolg bei einer Bewerbung aus.
Was ist nun, wenn ich mich zum Beispiel mit einem Diplom einer höheren Fachschule im europäischen Arbeitsmarkt bewerbe?
Wie stehen meine Chancen bei der Bewerbung?
Gemäss der These 3 habe ich nur dann eine Chance, wenn die Ausbildung vom Arbeitgeber als „wertvoll“ erkannt und anerkannt wird.
Dazu gehören eine gute Qualität, ein verständlicher Titel und ein hohes Ansehen.

Erstes Stichwort „Qualität“
„Qualität“ gehört zu den Lieblingsworten der Bildungsgesetzgebung.
Schon in die Bundesverfassung ist es das erste Wort mit Gewicht, das im Abschnitt „Bildungsraum Schweiz“ erwähnt wird.

Im Artikel 61a heisst es:
Bund und Kantone sorgen gemeinsam im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für eine hohe Qualität und Durchlässigkeit des Bildungsraumes Schweiz.
 
Das erste Ziel ist also Qualität.
Das gilt natürlich auch für die höheren Fachschulen.

  • Sie müssen eine Akkreditierung durchlaufen
  • Sie müssen ihre Lehrkräfte auf einem hohen Niveau fachlich, methodisch und didaktisch ausbilden.
  • Und sie müssen ihren Lehrplan mit der Wirtschaft, den Organisationen der Arbeitswelt absprechen.

Wer das Diplom einer höheren Fachschule vorweisen kann, muss sich daher – was die Qualität und auch die Aktualität seiner Ausbildung betrifft – bei einer Bewerbung überhaupt nicht verstecken.

Aber genügt die Qualität und Aktualität?

Zweites Stichwort „Titel“
Es gibt Arbeitgeber, die den Titel „Diplom HF“ ohne weiteres verstehen.
Sie wissen, was sich dahinter verbirgt:

  • HF-Abgänger haben Führungskompetenzen,
  • haben eine hohe Fachkompetenz,
  • sind Experten der Umsetzung,
  • bringen viel praktische Erfahrung mit und
  • verfügen über eine Ausbildung im Tertiärbereich.

Wer das nicht weiss, kann das aber aus dem Titel „Diplom HF“ nicht ohne weiteres herauslesen.
Der Titel ist diesbezüglich nicht sehr aussagekräftig.
Es ist daher verständlich, dass es Kreise gibt, die einen aussagekräftigeren Titel fordern.

Drittes Stichwort „Ansehen“
Eine Ausbildung ist auch mit einem Image verbunden.
Damit kommen wir zu einem Kernpunkt der Thematik.
Wir wissen, dass der akademische Weg über ein höheres Image als der Weg der Berufsbildung verfügt.
Sogar in der Schweiz ist es so, also in einem Land, in dem die Berufsbildung ansonsten einen hohen Stellenwert hat.
Wie ist das dann erst in Ländern, in denen die Berufsbildung weniger Bedeutung hat als in der Schweiz?
Auch dort haben Titel der Berufsbildung eine geringere Leuchtkraft als akademische Titel.

Die Diskussion um den NQR und um das diploma supplement haben hier ihren Ansatzpunkt:
Insbesondere Abschlüsse der höheren Berufsbildung sollen mit Hilfe von NQR und diploma supplement mit akademischen Abschlüssen vergleichbar und verstehbar werden.

Das ist wichtig. Genügt aber nicht.

Denn die Berufsbildung leidet mindestens an drei Problemen, die ihr einen schweren Stand im internationalen Kontext verschaffen.

These 4:
Die Berufsbildung leidet darunter, dass sie
•          nicht (von allen) verstanden wird,
•          nicht an der Macht ist und
•          falsch eingeschätzt und unklug vermarktet wird.

Die Berufsbildung wird nicht (von allen) verstanden:
Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass die Berufsbildung im Allgemeinen und die Berufsbildung Schweiz im Besonderen nicht verstanden wird.
Ich verstehe das nicht als Vorwurf,
sondern als Sachverhalt, den man nicht aus dem Auge verlieren darf.

Warum wird die Berufsbildung nicht (von allen) verstanden?

  1. Weil die Berufsbildung komplex ist. Es gibt verschiedenste Ausbildungen und verschiedenste Niveaus.
  2. Weil Personen, die auf dem akademischen Weg ihre Bildung erhalten haben, zu wenig Erfahrung mit Berufsbildung haben. Für sie ist die Berufsbildungswelt zum Teil wirklich fremd.
  3. Weil die Berufsbildung in den europäischen Ländern sich zum Teil stark voneinander unterscheidet und nicht einfach vergleichbar ist. Darum versucht die EU auch über das EQF eine Vergleichbarkeit herzustellen.
  4. Weil die Berufsbildung sich in Veränderungsprozessen befindet und die eigenen früheren Erfahrungen so nicht mehr stimmen. Die Eltern sind daher oft schlechte Berater in Sachen Berufsbildung, weil sie noch in ihren alten Vorstellungen über die Berufsbildung leben.

Wenn also jemand sich mit einem Berufsbildungsabschluss wie dem Diplom HF auf den europäischen Arbeitsmarkt bewirbt, so hat er damit zu kämpfen, dass nicht alle die Berufsbildung verstehen und ihren Wert einschätzen können.

Das schlimmste, was mir diesbezüglich passiert ist, ereignete sich mit einem Experten der OECD, der die höhere Berufsbildung in der Schweiz untersuchte.
Nach zwei Stunden Auskunft über die höhere Berufsbildung kam er zu folgendem Schluss:
In der höheren Berufsbildung können Erwachsene, welche noch über keine Ausbildung verfügen, ihre Berufsausbildung nachholen.

Kein Vorwurf an diesen Experten!
Er hat nur versucht, unsere Informationen über die höhere Berufsbildung in seinen Erfahrungshorizont einzubauen und ist dabei gescheitert.
Zum Glück blieb er noch eine Woche in der Schweiz und konnte sein Bild korrigieren.

Aber nicht alle haben oder nehmen sich so viel Zeit, um ihre Meinungen zu korrigieren.
Sie bleiben daher oft in ihren rudimentären und falschern Bildern über die Berufsbildung gefangen.

Die Berufsbildung ist nicht an der Macht:
An vielen Orten (Politik, Wirtschaft), wo über die „Berufsbildung“ entscheiden wird, kann man nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass auch Experten der Berufsbildung mit am Tisch sitzen.
Es ist eher so, dass Personen mit universitären Abschlüssen dort das Sagen haben.
Das ist natürlich ein Nachteil.

Dieser kann erstens nur ausgeglichen werden, wenn die Entscheidungsgremien in Politik und Wirtschaft in Sachen Berufsbildung bereit sind dazuzulernen.
Und zweitens: wenn die Berufsbildung sich in Politik und Wirtschaft für ihre Anliegen wehrt,
beispielweise in der Schweiz.

Gegenwärtig wird das neue Staatssekretariat für Bildung. Forschung und Innovation aufgebaut.
Die Berufsbildung muss sich wehren, damit die Berufsbildung ihrem Wert entsprechend behandelt wird.
Nächsten Mittwoch sind die Spitzenverbände der Berufsbildung bei Bundesrat Schneider-Ammann eingeladen, um eine bessere Positionierung der Berufsbildung im neuen Staatssekretariat durchzusetzen.

Aber auch auf europäischer Ebene ist zu intervenieren. Auf europäischer Ebene wird die Berufsbildung meiner Meinung nach in ein falsches Fahrwasser geleitet.

Damit kommen wir zum dritten Punkt der vierten These:
Die Berufsbildung wird falsch eingeschätzt und unklug vermarktet:

Seit knapp einem Jahr bin ich Mitglied des „Advisory committee on vocational training“, eine Art Berufsbildungskommission der EU.
Ich bin erst daran, mich in diesem Gremium zurechtzufinden.
Trotzdem ist mir schon etwas aufgefallen.
In den Reden und Interventionen dort wird der Einsatz für die Berufsbildung vor allem damit begründet, dass sie hilft, die Jugenderwerbslosigkeit zu bekämpfen.
Das ist ein wichtiges Anliegen und angesichts der Grösse des Problems auch verständlich.
Ohne Zweifel.

Eine solche Argumentation macht aber die Berufsbildung zu einem primär sozialpolitischen Mittel.
Es hilft, Personen von der Strasse wegzuholen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Finanzierung der Berufsbildung ist damit sozialpolitisch begründet.

Genügt das aber?
Wird damit der Kern der Berufsbildung getroffen?

Ich denke: Nein!
Die Berufsbildung ist zuerst und vor allem ein wichtiger Teil der Wirtschaftspolitik.
Dank einer starken Berufsbildung steigen die Qualität und die Innovationskraft einer Volkswirtschaft. Produktivität
In sie zu investieren, ist eine wirtschaftpolitische Notwendigkeit.
Leute der Berufsbildung sind nicht Sozialfälle.
Im Gegenteil: Sie sind wichtige Träger einer gesunden Volkswirtschaft.
Wo sie fehlen, leidet die Volkswirtschaft.

Weil in Europa die „Berufsbildung“ oft in sozialen Kategorien gedacht wird,
wird sie insgeheim abgewertet und falsch eingeschätzt.
Auf diesem Hintergrund ist es verständlich, dass junge Leute, wenn immer möglich, nicht den Berufsbildungsweg, sondern den akademischen Weg wählen.
Sie wollen kein Sozialfall sein.
Bei der Europäisierung der Berufsbildung ist hier noch viel Arbeit zu leisten.

Ein wirtschaftlich starkes Europa dank einer starken Berufsbildung!
So muss der zukünftige Slogan heissen.

These 5:
Eine starke europäische Berufsbildung hängt von einer guten und engen Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zusammen. In der Schweiz nennen wir das Verbundpartnerschaft.

Am 07. Dezember 2010 hat die EU das Kommuniqué von Brügge verabschiedet, welche zu einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung führen soll.

Es lohnt sich, dieses Papier einmal zu lesen!
Es enthält viele interessante Ansätze und Überlegungen.
So findet man auch den Hinweis darauf, dass verstärkt Partnerschaften zwischen den verschiedensten Akteuren gefördert werden soll.

« Les pays participants devraient encourager les partenariats entre partenaires sociaux, entreprises, centres d’enseignement et de formation, services de l’emploi, autorités publiques, organismes de recherche et autres parties concernées, afin d’assurer un meilleur transfert d’informations sur les besoins du marché du travail et une meilleure adéquation entre ces besoins et l’acquisition de connaissances, d’aptitudes et de compétences. Les employeurs et les partenaires sociaux devraient s’efforcer de clairement définir les compétences et les qualifications dont ils ont besoin à court et à long terme, au niveau sectoriel et intersectoriel ». (Le communiqué de Bruges sur la coopération européenne renforcée en matière d’enseignement et de formation professionnels, p. 10, 2010).

Ziel ihrer Partnerschaft ist es vor allem, den Bedarf des Arbeitsmarktes sowohl in Bezug auf die Anzahl sowie auch in Bezug auf die Kompetenzen und Qualifikationen besser eruieren zu können.

Es ist das, was wir in der Schweiz gerade durch die Verbundpartnerschaft zu lösen versuchen.
Gerade in diesem Bereich sind wir den meisten europäischen Ländern weit voraus.
Hier müssen wir unsere Erfahrungen mit der Verbundpartnerschaft einbringen.
Ich werde noch unter den Folgerungen darauf zu sprechen kommen.

Zusammenfassung und erste Folgerung:

Die Schweiz bildet ihre jungen Leute für den europäischen Arbeitsmarkt aus.
Die grosse Mehrzahl erhält dabei ihre Ausbildung in der Berufsbildung.
Der Berufsbildungsweg hat dabei im europäischen Kontext nicht das gleich hohe Image wie der akademische Weg.
Die Schweiz ist daher herausgefordert, dem Berufsbildungsweg eine gleichwertige Anerkennung wie dem akademischen Weg zu verschaffen, und zwar sowohl in der Schweiz wie auch im europäischen Arbeits- und Bildungsmarkt.

Dazu muss sie eine Strategie entwickeln und umsetzen.
Eine solche existiert seit Juni 2010.
Damals wurde das Papier „Internationale Strategie der Schweiz im Bereich Bildung, Forschung und Innovation“ vom Bundesrat verabschiedet.
Es wäre Zeit, dieses Papier mit den Verbundpartnern wieder einmal zu diskutieren und allenfalls anzupassen.

Vielleicht könnte die heutige Tagung der Anlass dazu sein, dieses Strategiepapier 2010 wieder einmal hervorzuholen und mit den Erkenntnissen der heutigen Tagung zu konfrontieren.

Zweite Folgerung:

Die EU ist daran, für die Berufsbildung Instrumente zu schaffen wie etwa der europäische Qualifikationsrahmen EQR.
Die Schweiz hat solche Instrumente optimal einzusetzen.
Sie müssen dazu verhelfen, dass schweizerische Berufsbildungsabschlüsse von den Arbeitgebern im europäischen Arbeitsmarkt als „wertvoll“ erkannt und anerkannt werden.

Dazu braucht die höhere Berufsbildung

  • eine klarere Positionierung im Tertiärbereich, beginnend im Organigramm des neuen Staatssekretariates für Bildung, Forschung und Innovation
  • eine „mutige“ Einbettung in den europäischen Qualifikationsrahmen
  • ein europa-kompatibles Diploma supplement und
  • einen verstehbaren und für sich selbst sprechenden Titel.

Dritte Folgerung:

Die Schweiz tut gut daran, der Qualität der Berufsbildung wirklich Sorge zu tragen.
Die Stärken des Systems wie Wirtschaftsnähe, Lernen an drei Lernorten, Verbundpartnerschaft und Innovationsfähigkeit sind zu pflegen.

Aber die Qualität allein genügt nicht.

Die Berufsbildung muss auch verkauft werden, insbesondere auch die höhere Berufsbildung.
Es ist zu überlegen, ob nicht im Berufsbildungsgesetz im allgemeinen Teil Artikel 1 bis 12 eine neue Bestimmung aufgenommen werden muss.
Diese Bestimmung soll die Verbundpartner darin bestärken und unterstützen, das schweizerische Berufsbildungssystem im internationalen Kontext besser bekanntzumachen.
Dazu sollten auch Gelder nach Artikel 54 und 55 zur Verfügung stehen.

Zudem sollte die Berufsbildung die jungen Leute für den europäischen Arbeitsmarkt noch fitter machen, zum Beispiel den Zugang zu den Fremdsprachen vereinfachen.
Nächste Woche verabschiedet übrigens die Lehrstellenkonferenz unter Leitung von Bundesrat Schneider-Ammann einen Bericht zur Mobilität und zu den Fremdsprachen.
Dieser zeigt interessante Massnahmen auf, wie der Zugang zu den Fremdsprachen in der Berufsbildung vereinfacht werden kann.
Ich hoffe, die Berufsbildung ist offen, die Massnahmen aufzunehmen und umzusetzen.

Schliesslich meine ich, dass der europäische Arbeitsmarkt von den Abgänger und Abgängerinnen der Berufsbildung mehr Allgemeinbildung verlangt. Vielleicht wäre es möglich, jedem Lehrabgänger und jeder Lehrabgängerin nach der Lehre einen Bildungsgutschein auszuhändigen, der ihm erlaubt, seine Allgemeinbildung in den nächsten Jahren zu erweitern.

Schlussbemerkung

Sie haben von mir eine Stellungnahme zur Europäisierung der Berufsbildung verlangt.
Ich habe Ihnen gesagt, dass ich diesbezüglich kein Fachmann bin.
Ich bin wie viele in der Schweiz am Beginn eines Lernprozesses.

Meine Überlegungen aus der Sicht eines Wirtschaftsvertreters der Arbeitnehmerseite haben mich zu folgenden Ergebnissen geführt:

Die Berufsbildung wird im europäischen Kontext zu stark von sozialpolitischen Überlegungen geprägt.
Eine starke Berufsbildung ist notwendig für die Wirtschaft.
Sie steigert die Qualität und die Innovationskraft einer Volkswirtschaft. Produktivität
Dadurch löst sie aber indirekt auch soziale Probleme, weil eine funktionierende Wirtschaft Arbeitsplätze schafft.

Die Berufsbildung leidet aber unter ihrem Image.
Gerade die Entscheidungsträger in der Wirtschaft sind sich der hohen Bedeutung der Berufsbildung nicht bewusst.
Sie sind sich noch zu wenig bewusst, dass sie eine starke Berufsbildung brauchen.
Hier ist im europäischen Kontext noch viel Arbeit zu leisten.

Was die Politik in der Schweiz betrifft, so gibt es erste Ansätze für eine offensivere Gangart in der Berufsbildungspolitik.

Nötig ist:
Wir brauchen eine starke Positionierung der Berufsbildung im neuen Staatssekretariat.
Zudem müssen wir die Berufsbildung im europäischen Kontext besser verkaufen.
Dazu sind die Verbundpartner zu gewinnen, zum Beispiel durch eine neue Regelung im Berufsbildungsgesetz.

Mit ihrer Tagung heute setzen Sie bei der Europäisierung der Berufsbildung ein Ausrufezeichen.
Dafür danke ich Ihnen und wünsche Ihnen viel Erfolg.

Merci!

Bruno Weber-Gobet (15.11.2012)